Als ich meiner Inneren Stimme vorgeschlagen habe, ein Interview über Selbstliebe zu führen, war sie begeistert.
Innere Stimme: Selbstliebe ist nicht nur das bisher mit Abstand schönste Thema von allen, die wir in unseren Gesprächen erörtert haben – es ist auch das wichtigste. Denn mit wahrer Selbstliebe transformierst Du einfach alles in Deinem Leben: Deine Partnerschaften. Deinen beruflichen Erfolg. Vor allem aber Dich selbst. All der Schmerz, all der Kummer, der Dich belastet, löst sich von alleine auf, wenn Du beginnst, Dich selbst zu lieben. Aber Selbstliebe kann noch mehr. Sie sorgt dafür, dass Du auf allen Ebenen aufblühst. Ich gehe soweit zu sagen: Selbstliebe ist die ultimative Glücksformel, nach der Ihr Euch alle sehnt.
Das klingt bombastisch. Warum ist das so?
Innere Stimme: Warte, Martin. Lass uns das Interview einmal umdrehen. Denn ich möchte Dich fragen, was Du über die Selbstliebe weißt – vor allem in Hinblick auf Deine Arbeit als Coach.
Mhm… Was meinst Du genau?
Innere Stimme: Was machst Du als Erstes mit Deinen Coachees, wenn sie zu Dir kommen?
Ah! Klar! Ich arbeite am Anfang immer daran, dass sich die Coachees sich in ihr Problemverhalten oder in die schwierigen Anteile ihrer Persönlichkeit verlieben. Denn die Meisten kommen zu mir, weil sie etwas nicht an sich selbst leiden können und sie wollen, dass ich es wegmache. Diese Haltung macht es aber nur noch schlimmer.
Innere Stimme: Warum?
Ein Kampf, den man verliert, sobald man ihn gewinnt
Ich glaube, dass die meisten Leute, die mir zu kommen, vor allem deswegen ein Problem haben, weil sie mit sich selbst hadern. Sie leiden unter bestimmten Gefühlen, mit denen sie nicht zurecht kommen. Das ist per se nicht weiter schlimm. Dissonanzen, ganz egal ob im Inneren oder im Äußeren gehören zum Leben. Die Frage ist lediglich, wie wir damit umgehen. Dabei erlebe ich oft, dass sich die Coachees von mir wünschen, dass ich das »wegmache«. Das führt aber meines Erachtens nur dazu, dass sich die abgelehnte Seite erst recht gegen den Coachee stellt und ihm die Hölle heiß macht.
So entsteht ein Kampf, den kein Coachee gewinnen kann. Denn in dem Augenblick, in dem er sich selbst besiegt, hat er zugleich verloren.
Innere Stimme: Was machst Du in einem solchen Fall?
Ich konzentriere mich darauf, zwischen dem Coachee und seinem inneren Anteil zu vermitteln. Denn meines Erachtens will jeder Charakterzug, egal wie unangenehm sich seine Emotionen anfühlen oder wie destruktiv sein Verhalten wirken mag, eigentlich was Gutes für seinen Menschen sicherstellen. Und sobald der Coacheee diese Idee intellektuell verstanden hat, bitte ich ihn, seinen Anteil so liebevoll anzusehen, wie es ihm gerade möglich ist.
Innere Stimme: Wozu?
So gut wie immer gibt der widerspenstige Anteil nach, lockert die unangenehmen Gefühle und zeigt eine erste Offenheit. Das ist für viele Coachees eine wichtige Erfahrung, denn sie merken plötzlich, dass ihre Haltung einen Unterschied macht. Lehnt er seine Gefühle oder Verhaltensmuster ab, wird alles in ihm eng und er gerät bestenfalls in einen Zustand des inneren Stillstands und schlimmstenfalls in schwere innere Konflikte, die ihn auf Dauer viel Lebensfreude, seinen inneren Frieden sowie seine seelische und manchmal sogar auch seine körperliche Gesundheit kosten kann. Sobald der Coachee jedoch erlebt und (!) begreift, dass eine liebevolle Haltung ihn viel entspannter macht, beginnt der ganze Stress von ihm nach und nach abzufallen. Von dort aus ist das Coaching bedeutend einfacher und leichter. Veränderungen laufen schneller und auch geschmeidiger und sind in der Regel auch nachhaltiger.
Innere Stimme: Verstehe ich Dich recht, dass Du die Selbstliebe als unabdingbare Voraussetzung für Dein Coaching betrachtest?
Auf jeden Fall.
Innere Stimme: Damit hast Du eigentlich schon alles gesagt, was man grundsätzlich über die Selbstliebe wissen sollte.
Echt jetzt?
Liebe heißt annehmen, was ist. Alles. Auch das Unliebenswerte.
Innere Stimme: Selbstliebe ist, wenn Du ausnahmslos alles an Dir annimmst, was in Dir ist. Nicht nur die wohlfeil gekämmten und schmuck gekleideten Seiten Deines Selbst, sondern auch die Anteile, die vor Schmutz nur so starren, vielleicht sogar unangenehm riechen und gerade zu hässlich wirken.
Warum fällt uns das so oft so schwer?
Innere Stimme: Weil Ihr die Rolle und Aufgaben von Idolen und Idealen nicht versteht.
Was meinst Du mit Idole und Ideale?
Innere Stimme: Ein Idol ist jemand, den Du bewunderst. Ein faszinierender Künstler. Eine erfolgreiche Unternehmerin. Ein leidenschaftlicher politischer Aktivist. Oder eine besonders mutige und couragierte Freundin. Sie alle haben gemeinsam, dass sie bestimmte Ideale verkörpern, die Dir etwas bedeuten. Und ihre Hauptaufgabe besteht darin, Dich daran zu »er-innern«, wer Du bist und was in Dir darauf wartet, zu voller Blüte aufblühen zu dürfen.
Das klingt ja fast so, als ob unsere Idole und Ideale ein Hinweisschild für unseren Lebensplan darstellen?
Innere Stimme: Ja. Sie sollen Dich inspirieren, einen bestimmten Weg einzuschlagen – wobei es Dir offen steht, wie Du ihn beschreitest. Wenn Du zum Beispiel Musiker bewunderst, kannst Du Dich dazu entscheiden, ein Profi zu werden, um von Deiner Musik zu leben. Oder Du lebst Deine Leidenschaft »nur« als Hobby aus – also ohne jede finanziellen Interessen. Entscheidend ist eigentich nur, dass Du Deinen Talenten die Chance gibst, sich zu Fähigkeiten mausern.
Das finde ich sehr lässig und inspirierend.
Innere Stimme: Problematisch wird das Ganze nur, wenn Ihr beginnt, Euch mit dem Ideal zu vergleichen und dabei entdeckt, dass ihr ihm nicht ganz gerecht werdet.
In einem solchem Fall kann ein Ideal schnell eine toxische Wirkung auslösen. Statt sie als Ermunterung anzusehen, an Euch zu glauben und Euch zuzutrauen, dass Ihr mit Eurem Ideal auf Augenhöhe kommen könnt, benutzen viele von Euch den Vergleich, um sich selbst zu verletzen. Zum Beispiel, in dem Ihr Euch wegen des Ideals selbst abwertet. Oder schlimmer noch: In dem ihr all die Seiten an Euch verdammt, die ihm nicht entsprechen. Das jedoch ist eine Verdrehung von allem, worum es in Eurem Leben geht.
Nämlich?
Innere Stimme: Wie ich eben schon sagte, besteht die Kunst des Lebens darin, alles an Euch anzunehmen und zu lieben. Das Lichte und das Dunkle, das Heitere und das Stinkwütende, das Noble und das Niederträchtige, das Heilige und das Teuflische.
Alles? Wirklich? Auch gewalttätige oder intrigante oder verlogene Seiten?
Innere Stimme: Beantworte Du mir die Frage, Martin. Wie würdest du vorgehen, wenn jemand in Deine Coachingsitzung kommt und sagt: Ich hasse mich selbst, weil ich eine solche Wut in mir trage?
Ich würde alles dafür tun, dass er die Wut liebevoll annimmt. Er muss sie ja njcht unbedingt ausagieren. Sondern einfach nur annehmen. Denn in der Wut steckt etwas Wertvolles, das ihm sonst fehlt. Handlungsenergie zum Beispiel.
Innere Stimme: Genau darum ist Selbstliebe der Pfad zur Vollkommenheit. Indem Du wirklich alles annimmst im Leben, vereinst Du nach und nach alle Facetten der Schöpfung in Dir. Das ist jedoch nicht immer einfach. Mit manchen Facetten des Lebens hadert Ihr so sehr, dass es manchmal mehrerer Leben bedarf, bis er die Integration bewerkstelligt habt. Darum ist jedes Leben, in das man sich inkarniert, oft nur auf einige wenige Aspekte ausgerichtet. Das macht es leichter.
Woran kann man diese Aspekte erkennen?
Innere Stimme: Alles, was Dir als Idol oder Ideal erscheint, ist ein solcher Aspekt. Aber auch alles, was Du vehement ablehnst, birgt die Chance zur Vollkommenheit.
Was ich ablehne?
Innere Stimme: Nehmen wir an, Du stufst Dich politisch als links ein und Du lehnst die Wähler einer rechtsradikalen Partei ab, dann ist auch das Hinweis auf Deinen Lebensplan. Denn das, was Du ablehnst, wartet lediglich darauf, von Dir ganz und gar angenommen zu werden.
Wie bitte? Ich soll Faschisten annehmen?
Innere Stimme: Ja.
Das ist jetzt nicht Dein Ernst, oder?
Innere Stimme: Doch. Mein voller Ernst, Martin. Nehmen wir mal an, Du liebst die liberale Haltung der Globalisierung. Du schätzt die multikulturelle Vielfalt. Du findest, dass jeder Mensch seine sexuelle Ausrichtung so leben darf, wie er mag. Nehmen wir weiter an, Du lehnst alles »völkische« oder »nationale« als zu dogmatisch oder zu gefährlich ab. Dann entgeht Dir, was diese Menschen als Gabe besitzen.
Sorry. Ich bin gerade ganz schön angetriggert. Von was für Gaben sprichst Du da gerade?
Innere Stimme: Die Liebe zur Heimat beispielsweise. Die Wertschätzung einer Kultur, die einem am Herzen liegt. Die Hochachtung vor der Gemeinschaft und ihren Regeln, die ihr Zustandekommen ermöglicht – selbst wenn alle anderen sie ablehnen. Die Bereitschaft zu den eigenen Ansichten zu stehen, auch wenn sie von vielen anderen kritisiert und verurteilt werden. Die Disziplin, den eigenen Werten treu zu bleiben, egal was passiert. Das sind nur einige von vielen.
Um das klar zu stellen: Du bist also nicht für Ausländerhass, Judenverfolgung und all dem anderen rechtsradikalen Mist?
Innere Stimme: Ich stehe für die Liebe. Immer. Gewalt und Terror, Unterdrückung und Verfolgung von Minoritäten, egal von wem, sind meine Sache nicht. Aber ich werde nie und nimmer jemanden ablehnen, weil er eine andere Überzeugung vertritt. Liebe heißt, anzunehmen, was ist. Denn Gott ist alles. Auch das, was Du ablehnst oder gar verurteilst und verdammst.
Puh, das fällt mir gerade echt schwer.
Liebe Deine Feinde. Und Du liebst Dich selbst.
Innere Stimme: Wenn Ihr Menschen aufhören würdet, Eure sogenannten Feinde abzulehnen und zu bekämpfen, und stattdessen beginnt, Eure Feinde zu lieben, würdet Ihr Euch auf einen Schlag einen Haufen Ärger, Konflikte, Kriege und andere gewalttätige Auseinandersetzungen ersparen.
Aha. Liebe Deine Feinde. Das hat ja schon Jesus gesagt.
Innere Stimme: So ist es. Denn Jesus steht für eine Haltung, die vor keinem Menschen zurückschreckt. Jesus steht dafür, dass er alle angenommen hat. Die Heiligen wie die Huren. Die Könige wie die Bettler. Die Rechtschaffenen wie die Verbrecher. Die Gesunden wie die Todkranken. Nichts war ihm fremd. Alles hat er geliebt.
Ja, das ist bewundernswert. Aber ich glaube, das könnte ich nicht.
Meine Innere Stimme grinst: Tatsächlich?
Was soll das?
Meine Innere Stimme hebt ihre Augenbrauen und schaut mich fragend an.
Oh, nein.
Ich verstehe.
Jesus ist mein Idol, stimmt’s?
Innere Stimme: Du sagst es.
Und ich bin hier, um zu lernen, wie er zu sein?
Innere Stimme: Nein. Du bist hier, um Martin zu sein. Nicht mehr. Und auf gar keinen Fall weniger.
Jesus ist nur ein Symbol. Ein Ideal, das Dich inspiriert, das Leben in seiner ganzen Fülle zu lieben.
Das bedeutet auch, all die Seiten in Dir zu lieben, die kleinlich, ignorant und voller Unliebe sind. Und nicht nur in Dir, sondern in allen Menschen. Auch und gerade in denen, die Du ablehnst.
Wenn Du jedoch versuchen würdest, einem Idol wie Jesus nachzueifern oder Dich gar mit ihm zu messen, kann es geschehen, dass Du all die intoleranten Seiten in Dir ablehnst und Du genau das Gegenteil von dem bewirkst, was Du eigentlich erreichen wolltest. Der Schlüssel besteht also nicht darin, zu werden, wie andere sind. Sondern der zu werden, der in Dir angelegt ist. Und das geht nur über die Selbstliebe.
Hast Du einen Tipp für mich, wie man dabei am besten vorgeht?
Innere Stimme: Ja. Du hast vor einiger Zeit eine Meditation namens »Der liebevolle Blick« aufgenommen. Das ist eine wunderbare Übung, finde ich. Und wenn Du Deine Selbstliebe ausdehnen möchtest, dann stell sie allen Menschen zur Verfügung.
Schon geschehen durch den Link oben. Aber warum sollte das meine Selbstliebe verbessern?
Innere Stimme: Alles, was Du an anderen liebst, kannst Du auch an Dir lieben.
Denn alles im Leben ist eins.
Was Du dem Geringsten antust, tust Du auch dem Höchsten an – also der Quelle allen Seins. Wenn Du jemanden anderen liebst, dann liebst Du in dem Augenblick auch Dich.
Wenn Du Dich selbst liebst, liebst Du zugleich auch das Leben.
Und wenn Du das Leben liebst, wird es nicht anders können, auch Dich zu lieben.
So schließt sich der Kreislauf.
Und das, Martin, ist die ultimative Glücksformel, nach der Ihr Euch alle sehnt.
–
Weiter zu dem Interview »Künstliche Intelligenz«.
Tipp:
Wenn Dich das Interview neugierig gemacht hat: Im Big Shift Buch erfährst Du mehr.
Mich hat das auch angetriggert. Aber dann habe ich verstanden, was gemeint ist.
Es geht darum zu lernen, alles anzunehmen.
Das ist manchmal schwer. Aber wenn man es kann, dann bereichert es einen.
Mich erinnert das übrigens an die Arbeit von Arno Gruen zum Thema „Der Fremde in uns“, das ja das den Fremdenhass aus psychologischer Sicht analysiert. Wir lehnen an anderen ab, was wir in uns selbst nicht wahrhaben wollen.
Manche Wahrheiten sind einfach und doch tiefgründig.
Danke, Martin. Das hat mir gutgetan.
Mmm, die Bezeichung „ultimative Glücksformel“ finde ich ehrlich gesagt ziemlich zum Abgwöhnen.
Das Wort „ultimativ“ ist schon viel zu sehr als Marketingwerkzeug mißbraucht worden.
Und „Formel“ suggeriert einen klaren und logischen Ablauf. Gerade der ist nach meiner Erfahrung bei dem Bestreben zu üben, sich selbst anzunehmen, so wie man ist, nicht unbedingt vorhanden. Da geht es vor und zurück, zur einen und zur anderen Seite und macht Schlaufen, Haken und Bögen, was das Zeug hält. 🙂
Nicht klar und logisch, sondern wirr, chaotisch und oft eher unlogisch.
Deine Übung „Der liebevolle Blick“ habe ich von Anfang an besonders gemocht und nutze sie auch jetzt immer wieder. Um sie mehr Leuten zugänglich zu machen als denjenigen, die das hier lesen, schlage ich vor, dass Du daraus eine Videomeditation machst, die Du auf YouTube stellst. Auf diese Weise könnte diese schöne kleine Meditation noch viel mehr Menschen erreichen. 🙂
Jede Verurteilung gegenüber denjenigen, die man ablehnt, fallen zu lassen und durch Akzeptanz zu ersetzen, ist wohl die größte Herausforderung für jeden von uns, der noch irgendwen ablehnt.
Ich nenne es gerne „Das Geschenk in der miesen Verpackung wahrnehmen“. Dazu darf man lernen, seine Wahrnehmung durch die Verpackung nicht mehr so beeinträchtigen zu lassen.
Das braucht vieeeeel Übung. Vermutlich sind wir genau deshalb von so viel mieser Verpackung umgeben…. 🙂
Schön, dass Du Dich hier so authentisch zeigst, Martin! Genau das kommt bei mir immer wieder sehr gut an.
Lieben Gruß
Sabine
Was Martin hier von seiner angeblich „weisen inneren Stimme“ verkünden lässt, ist in wesentlichen Teilen schier unerträglich.
Zuvorderst die offene Aufforderung, Neonazis (hier euphemistisch als „national“ oder „völkisch“ bezeichnet), doch auch liebenswerte „Gaben“ zugute zu halten, wie etwa „Die Liebe zur Heimat, … die Wertschätzung einer Kultur, die einem am Herzen liegt. Die Hochachtung vor der Gemeinschaft und ihren Regeln, die ihr Zustandekommen ermöglicht – selbst wenn alle anderen sie ablehnen. Die Bereitschaft zu den eigenen Ansichten zu stehen, auch wenn sie von vielen anderen kritisiert und verurteilt werden. Die Disziplin, den eigenen Werten treu zu bleiben, egal was passiert. Welche zudem „nur einige von vielen“ „Gaben“ sein sollen.
Derlei „Weisheiten“ dann auch noch damit zu begründen, dass Jesus schließlich gepredigt habe „Liebet Eure Feinde“ und es als „bewundernswert“ zu bezeichnen, dass er u.a. sowohl „Heilige“ als auch „Huren“ (man beachte die Gegenüberstellung) geliebt habe, kann man nur noch mit Kopfschütteln quittieren.
Nicht nur absurd, sondern aus psychologisch-psychotherapeutischer Sicht sogar hochgradig verantwortungslos ist zudem die Behauptung, bedingungslose Selbstliebe sei die „ultimative Glücksformel, nach der Ihr Euch alle sehnt“. Denn dies impliziert in der Umkehrung die hypnotisch unterschwellige Drohung, dass das eigene Leben ohne bedingungslose Selbstliebe nach einer „ultimativen Un-Glücksformel“ verlaufen werde. Was unbedarfte Menschen in eine verhängnisvolle Falle lockt.
Denn je mehr sich jemand bemüht und übt, sich bedingungslos zu lieben, umso mehr lehnt er/sie das Gegenteil, nämlich sich nicht bedingungslos zu lieben, ab. Dies führt zu einer Abspaltung des entsprechenden Persönlichkeitsanteils und damit geradewegs zu der Selbstablehnung, die man ursprünglich verhindern wollte. Das Bemühen um eine dauerhafte universelle Selbstliebe ist in sich selbst widersprüchlich und von der Wirkung her genau das Gegenteil einer „ultimativen Glücksformel“.
Vor diesem Hintergrund entzieht sich die „Weisheit“ der zitierten „inneren Stimme“ für mich jeder Nachvollziehbarkeit. Sie leidet wohl eher unter grandiosem Narzissmus.
Liebe Bettina,
hier ist Platz für die unterschiedlichsten Perspektiven und es ist interessant, verschiedene Blickwinkel kennenzulernen.
Ich glaube jedoch, dass Du die Haltung von Martins innerer Stimme missverstehst. Narzissmus beinhaltet ein Kreisen um sich selbst, wo kaum Platz ist für die Interessen und Bedürfnisse anderer Menschen.
Aus Martins Buch ist eindeutig hervorgegangen, dass die innere Stimme den Weg vom ICH zum WIR vorschlägt, wobei ich ihr nur zustimmen kann.
Vielleicht hast Du ja Lust, Dich auf das Buch einzulassen, um die Perspektive der inneren Stimme etwas besser zu verstehen.
Dir alles Gute!
Ergänzung:
Diverse Studien belegen die negativen Auswirkungen von bedingungsloser Selbstliebe. Hier eine kleine Auswahl:
Crocker, Brook, Niiya, & Villacorta (2006) untersuchten die Auswirkungen von Selbstwertgefühl und Selbstliebe auf das psychologische Wohlbefinden. Die Ergebnisse zeigten, dass Menschen, die bedingungslose Selbstliebe praktizierten, weniger wahrscheinlich in der Lage waren, ihre negativen Emotionen zu regulieren und eher zu negativen zwischenmenschlichen Beziehungen neigten.
Heath, Toste, & Breland-Noble (2018) untersuchten den Zusammenhang zwischen Selbstliebe und psychischer Gesundheit bei afroamerikanischen Jugendlichen. Die Ergebnisse zeigten, dass eine höhere Selbstliebe bei diesen Jugendlichen mit einem höheren Risiko für depressive Symptome verbunden war.
Neff & McGehee (2010) untersuchten die Auswirkungen von Selbstliebe auf die Emotionsregulation und die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Ergebnisse zeigten, dass bedingungslose Selbstliebe mit einem geringeren Gefühl der Verbundenheit mit anderen und einem höheren Risiko für negative zwischenmenschliche Beziehungen einherging.
Orth, Robins, & Roberts (2008) untersuchten den Zusammenhang zwischen Selbstliebe und Narzissmus. Die Ergebnisse zeigten, dass bedingungslose Selbstliebe mit höheren Narzissmuswerten verbunden war, was darauf hindeutet, dass bedingungslose Selbstliebe auch zu einem übermäßigen Fokus auf das Selbst führen kann.
Yarnell, Neff, & Davidson (2019) untersuchten die Auswirkungen von Selbstliebe auf das emotionale Wohlbefinden bei Personen mit einer Geschichte von traumatischen Ereignissen. Die Ergebnisse zeigten, dass bedingungslose Selbstliebe mit einem höheren Risiko für posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen verbunden war.
Liebe Bettina,
ich habe festgestellt, wenn mich etwas besonders triggert, dann lehne ich einen Anteil in mir besonders ab. Das sind die Schatten in uns. Die sog. Schattenarbeit deckt diese abgelehnten Anteile auf. Das Blöde ist, wenn wir diese nicht auflösen, passieren im Außen immer wieder herausfordernde Dinge, die uns zwingen uns damit auseinanderzusetzen.
Ich selbst erfahre immer wieder Ungerechtigkeiten, damit ich mich mit dem Thema Nachsicht auseinandersetze. Das fällt mir schwer, wenn meine Werte verletzt werden.
Hallo Bettina
ich habe mir die Mühe gemacht und die von Dir zitierten Studien im Netz recherchiert.
Keine einzige der Studien, die ich gefunden habe, befasst sich mit „bedingungsloser Selbstliebe“ und sind von daher per se schon nicht relevant.
Aber machen wir uns die Mühe zu entdecken, was die Autoren und Autorinnen der Studien zu sagen haben.
Die Studie von Crocker, Brook, Niiya, & Villacorta (2006) heißt: The pursuit of self-esteem: Contingencies of self-worth and self-regulation
Da geht es nicht um bedingungslose Selbstliebe, sondern um Selbstvertrauen und Selbstwert. Beide Begriffe stehen für etwas vollkommen anderes
Die Studie von Orth, Robins, & Roberts (2008): Low self-esteem prospectively predicts depression in adolescence and young adulthood
Hier geht es wieder um Selbstachtung, nicht um Selbstliebe. Die Studie kommt im übrigen zu dem Ergebnis, dass eine geringe Selbstachtung bzw. geringes Selbstwertgefühl zu Depressionen führen kann.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18729703/
Dann zitierst Du eine Studie von Heath, Toste, & Breland-Noble (2018). Die konnte ich gar nicht finden. Meine Recherchen bei den Beteiligten ergab jedoch folgendes:
– Dr. Alfiee M. Breland-Noble hat 2018 zwei Studien veröffentlicht, von denen eine Depressionen bei Afro-Amerikanern behandelt.
– Jessica R. Toste hat zahlreiche Studien zum Thema Selbstverletzungen veröffentlicht. Nicht eine davon handelt von bedingungsloser Selbstliebe.
– Nancy Health hat ebenso wie Toste viel zu Selbstverletzungen sowie 2018 eine Studie zu Mindfulness veröffentlicht. Also auch hier nichts zum Thema Selbstliebe bzw. bedingungsloser Selbstliebe.
Am ehesten kommen die Studien zu Selfcompassion, also zu Selbstmitgefühl, dem Thema nahe.
Die Studie von Neff & McGehee (2010) heißt: Self-compassion and psychological resilience among adolescents and young adults
Das positive Fazit der Studie lautet: Results indicated that self-compassion was strongly associated with well-being among adolescents as well as adults. In addition, family and cognitive factors were identified as predictors of individual differences in self-compassion. Finally, self-compassion was found to partially mediate the link between family/cognitive factors and well-being. Findings suggest that self-compassion may be an effective intervention target for teens suffering from negative self-views.
https://psycnet.apa.org/record/2010-11502-001
Also: Selbstmitgefühl (Selfcompassion) ist stark mit Wellbeing (Wohlbefinden) assoziiert. Und Selbstmitgefühl kann hilfreich für Teenager sein, die unter einem negativen Selbstbild leiden.
Die Studie Yarnell, Neff, & Davidson (2019), die ich gefunden habe, heißt: Gender Differences in Self-Compassion: Examining the Role of Gender Role Orientation
https://link.springer.com/article/10.1007/s12671-018-1066-1
An den beiden letzten Studien war Kristin D. Neff (Educational Psychology, University of Texas at Austin) beteiligt, eine sehr engagierte Vertreterin von Self-Compassion. Einer ihrer Buchtitel lautet: Self-Compassion: The Proven Power of Being Kind to Yourself.
Von daher kommt sie als Kritikerin zum Thema Selbstmitgefühl wohl eher nicht in Frage.
Ich hoffe und erwarte, dass Du zu den Studien nun die entsprechenden Zitate lieferst, die Deine These untermauern. Bis dahin halte ich Deinen Beitrag offen gesagt für substanzlos und irreführend.
Detlef
Leider etwas schlaflos geistere ich gerade durchs Internet und finde dieses „Interview“ hier. Und bin doch einigermaßen geschockt.
Martins „innere Stimme“ versucht, völkische und nationale Überzeugungen zu rechtfertigen, indem sie behauptet, dass diejenigen, die solche Ansichten ablehnen, die positiven Aspekte dieser Ideologien verpassen würden. Diese Argumentation ist nicht nur fehlerhaft, sondern auch gefährlich.
Völkisches und nationales Gedankengut als „Gabe“ darzustellen ist höchst problematisch, da diese Ideologien auf Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus basieren. Es ist inakzeptabel, solche Prinzipien als positiv oder bereichernd darzustellen.
Des Weiteren behauptet Martins „innere Stimme“ implizit, dass diejenigen, die nationale oder völkische Ideen ablehnen, die Liebe zur Heimat, die Wertschätzung der eigenen Kultur, die Gemeinschaft und Disziplin verpassen würden. Dies ist eine falsche Unterstellung. Man kann seine Heimat lieben, seine Kultur wertschätzen und sich der Gemeinschaft verbunden fühlen, ohne dabei nationalistisch oder völkisch zu sein. Diese positiven Werte sind keineswegs exklusiv für nationalistische Ideologien reserviert.
Martins „innere Stimme“ verharmlos mit der Aussage, dass man andere nicht aufgrund ihrer Überzeugungen ablehnen sollte, nationalistische und völkische Ideologien und diskreditiert ihre Kritikerinnen und Kritiker. „Braune“ Ideologien sind jedoch mit Hass und Diskriminierung und historisch mit zahlreichen Konflikten, Kriegen und Menschenrechtsverletzungen verbunden. Diese negativen Folgen dürfen nicht ignoriert oder heruntergespielt werden. Ich halte es für wichtig, gegen solche Überzeugungen deshalb vehement einzutreten und für eine inklusive und tolerante Gesellschaft einzustehen.
Wie kann das auch Liebe sein, wenn Martins „innere Stimme“ mit ihrer Aussage, dass man faschistoid eingestellte Menschen wegen ihrer Überzeugungen nicht ablehnen sollte, selbst keinen Raum für die Anerkennung von Vielfalt und Meinungsverschiedenheiten lässt? Ein Widerspruch in sich.
Es ist zwar wichtig, dass unsere Gesellschaft verschiedene Standpunkte akzeptiert, aber dies bedeutet nicht, dass alle Überzeugungen gleichwertig sind oder dass extremistische Ideologien toleriert werden sollten.
Höchst kritikwürdig ist für mich auch, dass Martins „innere Stimme“ sich auf Jesus und Gott beruft, um zur Liebe der „Gaben“ nationaler und völkischer Ideologieträger aufzurufen. Denn deren Einstellung steht in eklatantem Widerspruch zu den universellen Prinzipien der Menschenrechte und der Gleichbehandlung aller Menschen. Wenn Jesus die Bedeutung der Nächstenliebe betonte, heißt das auch nicht automatisch, dass alle Ideologien oder Überzeugungen bedingungslos akzeptiert werden sollten. Jesus selbst kritisierte beispielsweise deutlich alle Praktiken und Denkweisen, die gegen ethische Grundsätze verstoßen.
Sorry, Martin, aber diese „innere Stimme“ mit der du da sprichst, ist für mich alles andere als „weise“.
Hallo Alina
vielen Dank für Deinen Beitrag, zu dem ich folgendes klarstellen möchte: In dem Artikel oben geht es mit keinem einzigen Wort um eine Verharmlosung oder gar eine Verherrlichung des Faschismus.
Und ich stimme Dir in allem zu, was Du gegen den Faschismus zu sagen hast.
In dem Artikel geht es vielmher um 2 Fragen, die ich persönlich wesentlich finde.
Erstens: Kannst Du einen Menschen, auch wenn er politisch eine radikal andere Meinung vertritt oder Taten begeht, die Du abscheulich findest, dennoch als menschliches Wesen annehmen?
Zweitens: Kannst Du anerkennen, dass in einem radikal anderen Gedankengut vereinzelte Elemente vorhanden sein könnten, die Dein Denken und Deine Haltung zum Leben bereichern?
Ich weiß nicht, wie Du die Fragen beantworten würdest, da ich Dich nicht kenne. Es geht also in den nächsten Abschnitten nicht um Dich, sondern um Andere.
Was mit Menschen geschehen kann (nicht muss), die auf beides mit einem vehementen Nein antworten, illustriert die Geschichte der RAF Terroristin Ulrike Meinhof die eine erbitterte Gegnerin des Faschismus gewesen ist. Sie hat sich über ihre Feinde einmal so geäußert: »Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden.«
Das meinte Nietzsche wohl mit seiner Aussage: »Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.«
Liebe Grüße
Martin
Hallo Martin,
ich widerspreche generell ungern. Aber hier muss es sein. Dein Artikel enthält zwar keine direkte Verharmlosung oder Verherrlichung des Faschismus. Aber indirekt bewirkt er das. Denn wenn ich „National-Völkische“ (Neonazis, Faschisten) wegen irgendwelcher „Gaben“ mehr lieben würde als jetzt, wohin würde das führen? Ich wäre längst nicht mehr so motiviert, mich für Werte wie Integration und Gewaltfreiheit zu engagieren, die von diesen Menschen offen mit Füßen getreten werden. Ich würde ihnen viel mehr durchgehen lassen und möglicherweise sogar anfangen, Teile ihrer braunen Gesinnung als richtig anzusehen. Weil sie ja auch ihre positiven Seiten haben. Nein, das geht gar nicht für mich. Das ist für mich wirklich mindestens Verharmlosung.
Deine Fragen verstehe ich nicht. Wenn ich Menschen mit einer wirklich schlimmen Gesinnung ablehne, heißt das doch nicht, dass ich in ihnen keine Menschen mehr sehe. Sie sind immer noch Menschen, aber solche, denen man mit aller Kraft entgegen treten muss. Sonst haben wir hier bald wieder Verhältnisse wie vor 80 Jahren.
Ich verstehe auch nicht, was es für eine Rolle spielen soll, wenn solche Leute besondere Heimatliebe oder sonst was an „Gaben“ haben sollen. Denn darauf kommt es doch gar nicht an. Sondern darauf, was solche Menschen mit ihrer Gesinnung und ihren Taten anrichten. Ich begreife wirklich nicht, wieso ich darin auch noch was Gutes finden soll. Für mich ist das so wie du es mit dem Nietzsche-Zitat beschreibst. Wenn man in einen braunen Abgrund nur lange genug hineinblickt, dann ergreift der von dir irgendwann auch Besitz.
Ich finde wirklich, dass gegenüber Faschisten Null-Toleranz wichtig ist. Was aber nicht heißen muss, dass ich solche Menschen auch gleich mit denselben Mitteln bekämpfen muss, die diese anwenden. We etwa Ulrike Meinhof. Wir haben schließlich einen Rechtsstaat. Man kann ein Übel auch nicht mit einem anderen ausrotten. Aber liebende Gefühle für Menschen zu entwickeln, die gewaltbereit sind und eine faschistische Haltung vertreten finde ich, sorry, völlig daneben.
Ich finde auch, dass deine innere Stimme sich selbst widerspricht, wenn sie behauptet, dass sie alles und jeden Menschen liebt und niemanden wegen was auch immer ablehnt. Denn mit dieser Einstellung lehnt sie doch automatisch jedes Nicht-Lieben ab und liebt dies nicht. Wie geht das zusammen mit ihrer Behauptung, sie würde alles lieben?
Viele Grüße, Alina
Hi Alina
danke, dass Du nun mit mir einer Meinung bist, dass der Artikel keine direkte Verharmlosung oder Verherrlichung des Faschismus beinhaltet.
Es gibt jedoch 2 Standpunkte, die ich anders sehe als Du.
Deiner Argumentation, der Artikel würde „indirekt“ dennoch eine Verharmlosung „bewirken“, stimme ich nicht zu.
Nicht der Artikel hat etwas „bewirkt“, sondern Du hast etwas gelesen und dabei etwas aktiv gedacht und gefühlt.
Das ist ein feiner, aber alles entscheidender Unterschied: Im ersten Fall trittst Du die Verantwortung an den Artikel oder mich oder meine Innere Stimme ab. Im zweiten Fall trägst Du die Verantwortung für Deine Empfindungen selbst.
Denn was Du Angesichts von Worten denkst und fühlst, ist und bleibt ganz allein Deine Sache, nicht die der Anderen.
Es gibt viele Menschen, die diesen Unterschied nicht erkennen und so viel Leid über sich und andere bringen. Unzählige Partnerschaften sind zerbrochen, weil der eine dem anderen Schuld an seinen Gefühlen gibt.
Der zweite Punkt, an dem ich Dir nicht zustimme, ist Deine Meinung, dass man anderen etwas durchgehen lässt, wenn man sie liebt.
Es gibt auch so etwas wie „strenge Liebe“, bei der man klare Grenzen zieht, ohne den Anderen dabei zu entmenschlichen.
Und „entmenschlichen“ ist für mich das entscheidende Stichwort. Genau das haben die Faschisten im dritten Reich den Juden angetan. Schlimmer noch: Sie haben die Entmenschlichung als Begründung für ihre Gräueltaten benutzt.
Ulrike Meinhof, die ja gegen den Faschismus gekämpft hat, hat jedoch genau das gleiche getan: Sie hat die Polizisten und Polizistinnen als „Schweine“ entmenschlicht und daraus das Recht abgeleitet, ihnen Gewalt anzutun und sie sogar erschießen zu dürfen.
Nietzsche würde dazu vermutlich sagen: Sie hat mit Ungeheuern gekämpft und wurde dabei selbst zu einem.
Allerdings: Menschen, die Abscheuliches tun, als menschlich anzunehmen und ihnen sogar Stärken oder positive Eigenschaften zuzugestehen, finde ich jedoch, wie du dem Artikel oben entnehmen kannst, persönlich überhaupt nicht leicht.
Ich wünschte mir, dass ich manchmal toleranter wäre und leichter vergeben könnte. Das gelingt mir aber nicht immer.
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die folgende Bemerkung eingehen: „Ich finde auch, dass deine innere Stimme sich selbst widerspricht, wenn sie behauptet, dass sie alles und jeden Menschen liebt und niemanden wegen was auch immer ablehnt. Denn mit dieser Einstellung lehnt sie doch automatisch jedes Nicht-Lieben ab und liebt dies nicht.“
Oben in dem Artikel steht jedoch: „Ich werde nie und nimmer jemanden ablehnen, weil er eine andere Überzeugung vertritt. Liebe heißt, anzunehmen, was ist.“
Damit sollte auch das geklärt sein.
Danke, dass Du Dich hier einbringst und mit Deiner Meinung zum Dialog beiträgst. Denn darum geht es hier: Auf eine respektvolle und achtsame Weise klar Stellung zu beziehen, so dass andere Leser und Leserinnen sich sachlich ihre eigene Meinung bilden können.
Liebe Grüße
Martin
Hallo Martin,
Schlafstörungen haben auch was Gutes, denn so komme ich wenigstens dazu, Dir in Ruhe eine Antwort zu schreiben.
Zunächst ich danke Dir, dass Du mit mir einer Meinung bist, dass es nicht nur darum geht, ob Du mit deiner inneren Stimme nazionalsozialistisch Denkende in DIREKTER Weise verharmlost oder verherrlicht, sondern auch darum, ob du dies INDIREKT tust.
Und genau das tust Du. Und zwar dadurch, dass Du zu bedenken gibst, dass Menschen, die eine faschistische Gesinnung haben und mit Gewalt durchsetzen wollen, auch gute „Gaben“ hätten, die wir lieben sollten. Einer faschistischen Haltung stellst Du damit unmittelbar/gleichzeitig positive Eigenschaften gegenüber. Was dazu führt, dass sich in Menschen, die dir glauben, negative Gefühle gegen Faschisten mit positiven Gefühlen von Liebe vermischen. Und sich daraus in ihnen ein neutraleres bis vielleicht sogar positiven Gefühl gegenüber Faschisten entwickelt.
Das sauge ich mir auch nicht etwa als subjektive Meinung aus den Fingern, sondern ist wissenschaftlich bewiesen. Was Du ja auch selbst weißt. Stichwort “Hebbsche Lernregel”: „Neurons that fire together, wire together.“ Das sagt bekanntlich nichts anderes aus, als dass emotional besetzte Inhalte und Gefühle, die gleichzeitig aktiviert werden, miteinander verschmelzen und aus gegenläufigen Gefühlen ein neues neutraleres oder sogar positives Gefühl entsteht. Genau aus diesem Grund bauen ja auch all Deine Coachingtechniken wie „Der liebevolle Blick“, „Synergetica“ und andere, die ich in Deinen Webinaren kennengelernt habe, auf diesem Prinzip auf.
Solange Du das Verschmelzen emotionaler Gefühle und Inhalte in verantwortungsvoller Weise nutzt, ist für mich auch alles in bester Ordnung. Diese Technik ist allerdings wie ein Messer, das man dafür einsetzen kann, jemandem liebevoll eine Semmel zu buttern, aber auch dafür, andere zu verletzen oder sogar umzubringen. Mit Deiner Forderung, man sollte an den Faschisten auch ihre „Gaben“ lieben, überschreitest Du für mich diese Grenze zur Schädlichkeit. Denn wenn Abneigungsgefühle mit Gefühlen von Liebe verschmelzen, entsteht eine Haltung, die gegenüber Neonazis deutlich nachsichtiger ist als vorher. Und zwar ganz automatisch, weil der Verstand das, was auf der Gefühlsebene geschieht, bekanntlich nicht kontrollieren kann. Und aus dieser Haltung entsteht dann wieder ein Verhalten, das entsprechend weniger engagiert (oder wie Du es nennst, „streng“) ist, eine erneute Ausbreitung des Faschismus zu stoppen und für Integration und Gewaltlosigkeit einzutreten.
Ich finde es auch unfair, wie Du versuchst, alle „Verantwortung“ von Dir auf mich dafür abzuwälzen, dass ich denke, dass Du Faschisten indirekt verharmlost. Zudem ist es falsch. Denn du denkst in Schwarzweiß, dass nur einer von uns beiden die Verantwortung dafür tragen könnte, welchen Eindruck Dein Artikel in mir hervorruft. Sicher spielt auch mein subjektives Denken eine Rolle, aber ohne deine Worte wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, Dir eine indirekte Verharmlosung von Neonazis vorzuwerfen. Du trägst also mindestens genauso viel Verantwortung daran, wie ich über deinen Artikel denke, wie ich.
Als echten „Hammer“ empfinde ich Deinen Satz „was Du Angesichts von Worten denkst und fühlst, ist und bleibt ganz allein Deine Sache, nicht die der Anderen“. Puh, wenn das stimmen würde, dann wäre genau DAS faschistisches Denken. Denn in der faschistischen Ideologie ist bekanntlich immer das Opfer schuld, nie der Täter. Und genauso typisch ist dies Denken auch für Narzissten, die (ich übernehme deine Formulierung) „diesen Unterschied nicht erkennen und so viel Leid über sich und andere bringen.“ Genau daran sind „unzählige Partnerschaften zerbrochen“ und nicht etwa daran, dass leidtragende Partner von Narzissten diesen die Schuld an ihren Gefühlen gegeben hätten. Ich finde es wirklich schlimm, wie du denkst!
Nicht ok finde ich auch, wie du es als „geklärt“ abtust, dass ich dir gesagt habe, dass ich einen Widerspruch darin sehe, wenn du über deine innere Stimme behauptest: „Ich werde nie und nimmer jemanden ablehnen, weil er eine andere Überzeugung vertritt. Liebe heißt, anzunehmen, was ist.“ Denn wenn man fordert (= es liebt), alles und jeden Menschen zu lieben, dann bedeutet das doch logischerweise, dass man das Gegenteil einer solch uneingeschränkten Liebe eben gerade nicht liebt. Und dass wiederum, dass deine Aussage widersprüchlich ist. Dabei bleibe ich.
Auch bedeutet das Nicht-Lieben von Faschisten wohl kaum, dass man sie „entmenschlicht“ und sich sogar das „Recht“ herausnehmen würde, „ihnen Gewalt anzutun und sie sogar erschießen zu dürfen“. Genau das suggerierst Du aber, wenn Du in einem Atemzug mit der Forderung, auch Faschisten zu lieben, Ulrike Meinhof anführst, „die gegen den Faschismus gekämpft hat“ und zu einem „Ungeheuer“ wurde.
Ich weiß nicht, ob es Dir bewusst ist. Aber mit solchen gleichzeitigen/unmittelbar zeitnahen Erwähnungen verknüpfst Du nach der Hebbschen Regel emotional besetzte Dinge, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, auf der Gefühlsebene zu einem Zusammenhang, der schlicht abwertend ist. Was genauso daneben und das Gegenteil von Liebe ist, als wenn jemand einen anderen, dem das Haupthaar fehlt, in einem Atemzug mit „braunen Glatzenträgern“ nennen würde.
Sollte Dir das nicht bewusst gewesen sein, hilft Dir mein Hinweis vielleicht weiter, solche Verknüpfungen in Zukunft zu vermeiden und toleranter und vergebender zu werden.
Danke, dass ich mich hier einbringen konnte, um (gern übernehme ich deine Worte) „auf eine respektvolle und achtsame Weise klar Stellung zu beziehen, so dass andere Leser und Leserinnen sich sachlich ihre eigene Meinung bilden können“.
Liebe Grüße, Alina
Hallo Alina
vielen Dank für Deine Ausführungen.
Ich sehe nicht, dass wir beide auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Muss auch nicht. »Zweinigkeit« hat ja auch etwas Gutes.
😉
Martin
———-
Korrektur am 02.05.2023: Ursprünglich stand dort: »Ich sehe nicht, dass wir beide auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.«
Hallo Martin,
ich danke Dir, dass Du einsichtig bist und Deine Ansicht, man müsse auch Neonazisten/Faschisten lieben, weil man sonst Gefahr laufe, zu einem „Ungeheuer“ wie Ulrike Meinhof zu werden, nicht wiederholst.
Es wäre schön gewesen, wenn Du auch darauf verzichtet hättest, noch eine Ericksonsche doppelte Verneinung nachzuschieben („NICHT … auf KEINEN gemeinsamen Nenner kommen“). War natürlich nur ein Schreibfehler. 😉
Liebe Grüße, Alina
Das ist ein Missverständnis. Wahrscheinlich ausgelöst durch einen Tippfehler, den ich korrigiert habe.
Im Klartext: Ich stimme Deinen Ausführungen NICHT zu.
Deine Meinung ist das genaue Gegenteil, um was es beim Big Shift geht.
Wer glaubt, dass andere Menschen für die eigenen Gefühle Verantwortung tragen, ist meines Erachtens auf einem gefährlichen Irrweg.
Und wer, wie Ulrike Meinhof meint, Hass mit Hass und Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu können, dessen Weg endet in einer Gewaltspirale.
Ich bleibe daher bei meiner Meinung. Und Du kannst sehr gerne bei Deiner bleiben.
😉
Martin
Noch ein Nachtrag (den ich vielleicht später noch für einen Blog-Artikel verwenden würde):
In der New York Times stand gestern, warum der in politischen rechten Kreisen sehr populäre amerikanische Moderator Tucker Carlson letztens von dem Sender FOX News gefeuert wurde.
Bevor ich das Zitat bringe, noch etwas zu meiner eigenen politischen Gesinnung. Ich engagiere mich zwar nicht in der Politik, aber wenn ich es täte, dann gewiss im linken Lager.
Tucker Carlson ist in meinen Augen ein Vertreter des Trump-Lager und ein ausgemachter Rassist. Er repräsentiert, was ich politisch nicht mag.
Aber in diesem Zitat finde ich, dass er echte Größe zeigt. Er hat den Mut, etwas Unbequemes auszusprechen, das ihn gewiss nicht in seinem besten Licht zeigt, das aber ihn zugleich als ein Mensch mit Gewissen offenbart. Davor ziehe ich den Hut. Nicht jeder hat den Mumm zu so etwas.
Folgendes schrieb er am 7. Januar 2021 an einen seiner Produzenten:
»Vor ein paar Wochen sah ich ein Video, auf dem Menschen in Washington auf der Straße kämpften. Eine Gruppe von Trump-Leuten kesselte ein Antifa-Kind ein und fing an, ihn krass zu verprügeln.
Es waren mindestens drei gegen einen. Einen solchen Kerl so anzugreifen ist offensichtlich unehrenhaft. So kämpfen weiße Männer nicht.
Doch plötzlich erwischte ich mich dabei, für die Meute gegen den Mann zu sein und zu hoffen, dass sie ihn härter treffen, ihn töten. Ich wollte wirklich, dass sie den Jungen verletzen. Ich konnte es schmecken.
Dann ging irgendwo tief in meinem Gehirn ein Alarm los: Das ist nicht gut für mich. Ich werde zu etwas, was ich nicht sein will.
Der Antifa-Kerl ist ein Mensch. So sehr ich auch hasse, was er sagt und tut, und so sehr ich auch vermute, dass ich ihn persönlich hassen würde, wenn ich ihn kennen würde, sollte ich nicht über sein Leiden frohlocken.
Ich sollte davon betroffen sein. Ich sollte mich daran erinnern, dass irgendwo jemand diesen Jungen liebt und es ihn zerbrechen würde, wenn er getötet würde.
Wenn ich mich nicht um solche Dinge kümmere, wenn ich Menschen nach ihrer Politik beurteile, wie bin ich dann besser als er?«
Quelle: https://www.nytimes.com/2023/05/02/business/media/tucker-carlson-text-message-white-men.html
😉
Martin
(Hier noch der Originaltext: »A couple of weeks ago, I was watching video of people fighting on the street in Washington. A group of Trump guys surrounded an Antifa kid and started pounding the living shit out of him. It was three against one, at least. Jumping a guy like that is dishonorable obviously. It’s not how white men fight. Yet suddenly I found myself rooting for the mob against the man, hoping they’d hit him harder, kill him. I really wanted them to hurt the kid. I could taste it. Then somewhere deep in my brain, an alarm went off: this isn’t good for me. I’m becoming something I don’t want to be. The Antifa creep is a human being. Much as I despise what he says and does, much as I’m sure I’d hate him personally if I knew him, I shouldn’t gloat over his suffering. I should be bothered by it. I should remember that somewhere somebody probably loves this kid, and would be crushed if he was killed. If I don’t care about those things, if I reduce people to their politics, how am I better than he is?«
Aha, ein Missverständnis also. War auch wohl etwas naiv von mir zu glauben, dass Du Einsicht zeigen könntest. Zumal Du jetzt ja auch noch mal betonst, dass es bei Big Shift um das Gegenteil meiner (für Demokratie, Integration und Gewaltlosigkeit eintretenden) Meinung geht.
Du scheinst wirklich daran zu glauben, dass Du in keiner Weise daran mitwirkst und mitverantwortlich bist, wie sich andere Menschen bei Deinen Worten fühlen. Und dass Du sagen darfst, was immer du willst, und wenn jemand ein Problem damit hat, das einzig ihre/seine eigene Sache ist. Krass. Vor allem weil Du Dich damit gegen sämtliche Erkenntnisse der systemischen Wissenschaften stellst. Und Deine Aussage auch in sich widersprüchlich ist. Aber natürlich ist es eine bequeme Haltung, mit der man alle Schuld von sich weisen und jedes Opfer als Täter hinstellen kann. Weshalb sie ja auch zum Standardrepertoire von Nationalsozialisten, Narzissten und anderen selbsterkorenen Meinungsführern gehört.
Wäre Deine Ansicht richtig, dann wäre es auch dem gerade verhafteten kenianischen „Pastor“ Paul Mackenzie Nthenge von der „Good News International Church“ nicht anzulasten, dass er Hunderte seiner Anhänger dazu brachte, sich zu Tode zu fasten, „um Jesus zu begegnen“. https://www.die-tagespost.de/politik/taeglich-neue-massengraeber-in-kenia-art-237751. Denn die Verantwortung für die Gefühle seiner Anhänger läge ja ausschließlich bei diesen selbst.
Jemandem die alleinige Verantwortung für die eigenen Gefühle zuzuschieben, halte ich auch schon wegen des Begriffs „Verantwortung“ für falsch. Denn wie u.a. rechtlich festgelegt ist, kann jemand für etwas nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn er/sie dies willentlich kontrollieren kann. Genau das ist bei der Entstehung von Gefühlen aber gerade nicht der Fall. Denn unsere Gefühle sind eine unbewusste Reaktion unseres limbischen Systems (z.B. auf Worte eines anderen Menschen), auf die niemand bewussten Einfluss hat. Deshalb kann sich Deine auch an mich gerichtete Forderung, für meine Gefühle die alleinige „Verantwortung“ übernehmen, also nur darauf beziehen, dass ich in mir entstandene Gefühle, die Dir nicht passen, unterdrücken und nicht äußern soll.
Was hat das noch mit Liebe zu tun? Für mich ist Deine komplette Zurückweisung jeglicher Mitverantwortung an den Gefühlen Anderer das genaue Gegenteil, nämlich schlicht eine Missachtung und Abwertung Deiner Mitmenschen. „Weise“? Ich finde eher, dass Du es bist, der sich auf einem „gefährlichen Irrweg“ befindet.
Eher dreist finde ich es auch, dass Du erneut allen Menschen, die „völkisch-nationalen“ Faschisten nicht die von Dir geforderte „Liebe“ entgegen bringen, unterstellst, „wie Ulrike Meinhof“ zu meinen, „Hass mit Hass und Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu können“. Und damit in die Nähe einer Linksterroristin rückst. Da fehlen mir wirklich die Worte.
Zu Deinem „Chapeau“ für den rechtsradikalen Rassisten Tucker Carlson schreibe ich Dir noch getrennt etwas.
😉
Alina
Hallo Alina
Du schreibst: »Aha, ein Missverständnis also. War auch wohl etwas naiv von mir zu glauben, dass Du Einsicht zeigen könntest.«
Meines Erachtens ist es eher ein klares Zeichen, dass Du etwas in meine Worte hineininterpretierst, was nicht da steht.
»Zumal Du jetzt ja auch noch mal betonst, dass es bei Big Shift um das Gegenteil meiner (für Demokratie, Integration und Gewaltlosigkeit eintretenden) Meinung geht.«
Auch das steht dort oben nirgendwo.
Ich halte vielmehr die folgende These für einen gefährlichen Irrweg: »Du scheinst wirklich daran zu glauben, dass Du in keiner Weise daran mitwirkst und mitverantwortlich bist, wie sich andere Menschen bei Deinen Worten fühlen.«
Genau das ist meine Meinung.
»Und dass Du sagen darfst, was immer du willst, und wenn jemand ein Problem damit hat, das einzig ihre/seine eigene Sache ist.«
Sehr richtig erkannt: Auch genau das ist meine Meinung.
»Krass. Vor allem weil Du Dich damit gegen sämtliche Erkenntnisse der systemischen Wissenschaften stellst.«
Ach, tatsächlich?
Es würde mich brennend interessieren, wer aus den systemischen Wissenschaften eine solche hanebüchene These vertritt.
Ich halte es da mit Viktor Frankl: »Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht, unsere Antwort zu wählen. In unserer Antwort liegt unser Wachstum und unsere Freiheit.« (Aus „Trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager«)
Das bringt mich dann zum nächsten Thema….
2. Teil → Nationalsozialismus & Opferdenken
Du schreibst: »Weshalb sie ja auch zum Standardrepertoire von Nationalsozialisten, Narzissten und anderen selbsterkorenen Meinungsführern gehört.«
Das ist sachlich falsch: Der Nationalsozialismus fußt auf der These, dass die eigene Misere durch einen äußeren Feind verursacht wird – im dritten Reich waren das u.a. die Juden und die Bolschewiken. Um ihre Misere zu beseitigen, haben die Nazis begonnen, den äußeren Feind zu bekämpfen.
Ich finde in dem Zusammenhang die Studien von dem Sozialwissenschaftler Stephan Marks zum Nationalsozialismus interessant: Er ist der Meiunung, dass der Nationalsozialismus (auch) von Schamgefühlen getrieben worden ist. Die Kränkung durch den verlorenen Weltkrieg und dem Versailler Vertrag führten zu einem Verlust des eigenen Würdegefühls und einem Aufkommen von Scham, die durch den Stolzbegriff des Nationalsozialismus ausgeglichen werden sollte.
Stephan Marks schreibt dazu in seinem Buch (Scham – die tabuisierte Emotion): »Der Nationalsozialismus konnte seine Anziehungskraft u. a. daraus gewinnen, dass seine Anhänger großzügig mit narzisstischen Aufwertungen – Gegengewicht zur Scham – belohnt wurden: So wurden sie etwa mit Zugehörigkeits- und Gemeinschaftserlebnissen versorgt, Hitlers öffentliche Auftritte wurden so inszeniert, dass jeder der Teilnehmenden subjektiv das Gefühl hatte, »ER« höchstpersönlich habe ihm in die Augen geblickt (wovon viele alte Menschen bis heute in Interviews schwärmen). Durch »heldenhaftes« Engagement für Führer, Volk und Vaterland« konnte Ehre errungen und narzisstische Aufwertung erreicht werden. Zudem wurde bei den Anhängern das Gefühl erzeugt, einer Elite anzugehören; dies wurde durch eine Vielzahl ehrenhafter Organisationen, Ränge und Ehrenzeichen sowe öffentliche Belobigungs-Rituale bekräftigt.
Der Nationalsozialismus vermochte die verbreiteten Schamgefühle der deutschen Bevölkerung aufzugreifen und seinen Anhängern Schamabwehr anzubieten und zu legitimieren: Gelegenheiten, die Würde anderer Menschen zu verletzen.«
Marks Arbeit ist – wie jede andere wissenschaftliche Arbeit – nicht über jeden Zweifel erhaben. Dennoch halte ich sie für interessant. Denn wenn Marks Recht hätte, dann wäre die Verfolgung und Vernichtung von Andersdenkenden auch auf innere Schamgefühle zurückzuführen.
Arno Gruen (»Der Fremde in mir«) stößt übrigens in das gleiche Horn, in dem er die Entfremdung von der eigenen Emotionalität als Ursache für Gewalt bezeichnet: Gruen postuliert, dass Menschen ihre wahren Emotionen und Bedürfnisse im Laufe der Zeit unterdrücken können, um den Erwartungen und Anforderungen der Gesellschaft gerecht zu werden. Diese Unterdrückung führt zur Entfremdung von der eigenen emotionalen Identität und kann das Risiko erhöhen, gewalttätiges Verhalten zu entwickeln.
Um den „Fremden“ in sich selbst zu erkennen und sich von den negativen Auswirkungen der emotionalen Entfremdung zu befreien, betont Gruen die Bedeutung der Selbstreflexion und des Dialogs mit dem eigenen Inneren. Durch ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen können Menschen ihre emotionale Integrität wiederherstellen und ein erfüllteres Leben führen.
Solange man jedoch wie Du denkst (→ Andere sind Schuld an Deinen Gefühlen), kann man diese ehrliche Auseinandersetzung nicht führen.
Man endet dann wie Du in einem wirren Gedankengut, dass in lauter Projektionen gipfelt, von denen eine nicht nur wirklichkeitsfremder ist als die andere – sondern die eben auch gefährliche Konsequenzen zur Folge haben können. Im Klartext: Dein Opferdenken KANN zu Verwerfungen wie dem Nationalsozialismus und anderen radikalen Richtungen führen.
Wohlgemerkt: KANN: Das Wort ist wirklich wichtig.
Denn während Du mir unterstellst, dass ich faschistisches Denken gutheiße (was ich definitiv nicht tue), werde ich das bei Dir nicht tun – auch wenn Dein Denken zweifelsohne das gleiche Opferdenken aufweist (→ Andere sind Schuld an Deinen Gefühlen).
Nicht jedes Opferdenken führt zu Faschismus. Aber jeder Faschismus fußt meines Erachtens auf Opferdenken. Nach dem Motto: »Wenn ich Angst oder Scham verspüre, bin ich nicht dafür verantwortlich, sondern andere. Und wenn die Gefühle zu heftig sind, muss ich sie halt eliminieren.«
Das bringt mich zu Teil 3…
Hallo Martin,
auch im 2. Teil deiner Antwortserie kommunizierst Du verdeckt auf zwei Ebenen. Auf der oberflächlichen Ebene ist Dein Diskussionsstil scheinbar sachlich. Auf der impliziten Ebene darunter sind Deine Aussagen erneut gespickt voll mit unterschwelligem Gaslighting (nicht nur in meinen Augen einer der schlimmsten Formen von Gewaltkommunikation, die es gibt).
Das finde ich insbesondere deshalb unentschuldbar, weil Du es (u.a. vor dem Hintergrund Deiner Ausbildungen in Techniken der verdeckten NLP- und Hypnokommunikation nach Erickson) unter dem Deckmäntelchen der „Liebe“ vorsätzlich einsetzt. So zum Beispiel in Deinem Vorwurf, dass meine Ausführungen „sachlich falsch“ seien.
Du benutzt hier ganz offensichtlich eine Gaslighting-Technik, die auch bei bestimmten Strafverteidigern beliebt ist und mir aus meiner langjährigen Tätigkeit im Opferschutz bekannt und deshalb auch gleich aufgefallen ist.
Sie beginnt damit, dass der Anwalt bzw. der Gaslighter, der sich auf diese Weise verteidigen will, aus der Anklageschrift (bzw. Kritik seines Kontrahenten) lediglich eine ihm genehme Teilaussage herauspickt und das aus dem Gesamtkontext Gerissene rundweg als „sachlich falsch“ bezeichnet. Daran hängt er dann eine Antwort an, die oberflächlich gelesen wie eine Widerlegung der Aussagen des Kontrahenten klingt, zusätzlich im Tonfall absoluter Sicherheit vorgebracht wird und langatmig mit der Zitierung angeblicher Autoritäten/Urteile endet.
Unerfahrene oder unter Zeitstress stehende Richter (bzw. eilige Leser) kennen die Strategie, die dahinter steckt, oft nicht. Lässt man sich davon jedoch nicht blenden, erkennt man, dass die scheinbare Widerlegung nichts weiter ist als eine verschleiernde Umformulierung desselben, was auch der Ankläger (bzw. Kritiker) zuvor gesagt hat.
Im eiligen Leser entsteht durch obigen Widerspruch jedoch eine „kognitive Dissonanz“, d.h. eine für sein Gehirn sehr stressige Verwirrung. Worauf das Gehirn versucht, den damit verbundenen erhöhten Energieverbrauch möglichst schnell wieder herunter zu regulieren. Und zu der vom Verfasser gewünschten Reaktion greift, sich lediglich auf den am einfachsten zu verstehenden Teil seiner Aussage zu fokussieren: „Das ist sachlich falsch.“
Damit sowas hier nicht weiter „undercover“ geschieht, mache ich gern darauf aufmerksam. Und in einer späteren Ergänzung gern auch darauf, welches weitere Gaslighting in Deinem 2. Teil zu finden ist.
😉
Alina
3. Teil → Sekten und Feindbilder
Du schreibst: »Wäre Deine Ansicht richtig, dann wäre es auch dem gerade verhafteten kenianischen „Pastor“ Paul Mackenzie Nthenge von der „Good News International Church“ nicht anzulasten, dass er Hunderte seiner Anhänger dazu brachte, sich zu Tode zu fasten, „um Jesus zu begegnen“. https://www.die-tagespost.de/politik/taeglich-neue-massengraeber-in-kenia-art-237751. Denn die Verantwortung für die Gefühle seiner Anhänger läge ja ausschließlich bei diesen selbst.«
Genau das meine ich, Alina.
Jeder, der sich da angeschlossen hat, hat sich meiner Meinung nach von selbst dazu entschieden. Den Freitod zu wählen, war ebenfalls ganz allein ihre eigene Entscheidung.
Und warum haben sie das getan?
Meiner Meinung nach, weil in Sekten die Mitglieder ihre Verantwortung an den Sektenführer abgeben. Statt selbst kritisch zu denken und die Lehren des Sektenführer zu hinterfragen, unterwerfen sie sich. Dennoch ist es ihre Entscheidung, für die sie vollumfänglich Verantwortung tragen.
Meines Erachtens leben darüber hinaus viele (vermutlich sogar fast alle) Sekten von Feindbildern. So auch die Sekte von Paul Mackenzie: »Mackenzie wetterte gegen die „Übel des westlichen Lebens“, zu denen medizinische Dienstleistungen, Bildung, Nahrung, Sport, Musik und „die Nutzlosigkeit des Lebens“ gehören. In einem Lied mit dem Titel „Der Antichrist“ verurteilte er die katholische Kirche, die Vereinigten Staaten und die Vereinten Nationen als Werkzeuge Satans.« (Wikipedia: »Mackenzie railed against the „evils of western life“, which includes medical services, education, food, sports, music, and „the uselessness of life“. In a song titled „The Antichrist“, he denounced the Catholic Church, the United States, and the United Nations as tools of Satan.« https://en.wikipedia.org/wiki/Malindi_cult)
Ich erneuere hier den Kerngedanken, dass Menschen zu Gewalt neigen können (!), wenn sie Andersdenkende entmenschlichen und keine Liebe oder Mitgefühl für sie aufbringen.
Das bringt mich zu Teil 4…
4. Teil → Gefühle und Verantwortung
Du schreibst: »Jemandem die alleinige Verantwortung für die eigenen Gefühle zuzuschieben, halte ich auch schon wegen des Begriffs „Verantwortung“ für falsch. Denn wie u.a. rechtlich festgelegt ist, kann jemand für etwas nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn er/sie dies willentlich kontrollieren kann. Genau das ist bei der Entstehung von Gefühlen aber gerade nicht der Fall.«
Das stimmt zum Teil. Die ENTSTEHUNG der Gefühle kann (und sollte man meiner Meinung nach auch nicht) kontrollieren.
Man kann aber die Gefühle sehr wohl kontrollieren, und die meisten Menschen tun das Tag für Tag. (Jemand ist sauer auf seinen Chef, zeigt es aber nicht). Das bedeutet aber nicht, dass ich das befürworte. Ich sage nur, dass es geht und dass es so gut wie jeder Mensch auch kann und macht. (Die, die das nicht können, gehören oft zu den besonders schwierigen Fällen in der Psychologie).
Wo ich Dir widerspreche ist die Ansicht, dass wir die ENTSTEHUNG von Gefühle nicht beeinflussen können. Das können wir sehr wohl. Tatsächlich ist ein erheblicher Teil der Psychologie und der Spiritualität genau darauf ausgerichtet.
Wenn jemand zum Beispiel wegen traumatischer Verletzungen beim Anblick von Fahrstühlen Angst erlebt, dann zielen Therapien darauf ab, den inneren Schrecken zu reduzieren oder ganz aufzulösen. Das ist nicht immer einfach, aber es ist eben auch nicht unmöglich.
Würde man jedoch Deiner fehlgeleiteten Meinung folgen, müssten man ja sagen, dass es die Fahrstühle sind, die das Gefühl in dem traumatisierten Menschen auslösen.
Aber das ist natürlich Unsinn.
Das bringt mich zu Teil 5…
5. Teil → Definition von Verantwortung
Über die Definition des Wortes Verantwortung kann man geteilter Meinung sein, deswegen lohnt es sich meiner Meinung nicht, dass wir beide darüber debattieren, wessen Definition richt ist.
Kurz: Deine Definition ist meines Erachtens genauso richtig und angemessen wie die meine.
Und meine Definition, die wie gesagt nicht besser oder richtiger ist als die Deine, lautet:
1. Es geschieht etwas und wir antworten darauf. (Siehe auch das Zitat von Viktor Frankl)
2. Wenn man anerkennt, dass die Antwort in Form von Gefühlen in einem selbst verursacht ist und nicht von anderen, ist man auf dem Weg, Verantwortung zu übernehmen.
Du magst das anders sehen, ich aber finde: Wer anderen die Schuld für die eigenen Gefühle gibt, handelt in meinen Augen höchst unverantwortlich.
Weiter zu Teil 6…
6. Teil → Rhetorischer Unsinn
Du schreibst »Deshalb kann sich Deine auch an mich gerichtete Forderung, für meine Gefühle die alleinige „Verantwortung“ übernehmen, also nur darauf beziehen, dass ich in mir entstandene Gefühle, die Dir nicht passen, unterdrücken und nicht äußern soll.«
Was ist das denn bitte für eine Argumentation?
Zu behaupten, dass die Formulierung, man solle Verantwortung für seine Gefühle übernehmen, sich NUR darauf beziehen kann, dass Du fortan all deine Gefühle, die mir nicht passen, unterdrücken sollst, ist bestenfalls logisch schwaches Denken und schlimmstenfalls rhetorische Manipulation der ganz besonders üblen Sorte.
Abgesehen davon ist doch faktisch das Gegenteil der Fall: Du kannst und darfst in meinem Blog zu posten. Ich unterdrücke also Deine Meinung nicht, sondern gebe ihr sogar eine Bühne.
Das einzige, womit Du hier allerdings zurecht kommen musst, ist, dass ich Deine Meinungen nicht teile.
Abgesehen davon empfinde ich es nicht gerade als einen Vorteil für Dich, dass Du ganz offensichtlich meine Arbeit nicht kennst, Du Dir aber dennoch ein Urteil über meine Ansichten gebildet hast. Das ist eine Nachlässigkeit im Denken, die ich sehr bedenklich finde: Keine Ahnung haben, aber in jedem Fall mal eine Meinung vertreten…
Aber diese Lücke lässt sich ja schließen.
Hier meine wichtigsten Thesen im Kurzformat:
Ich bin erstens der Meinung, dass wir Gefühle nicht »kontrollieren«, sondern vielmehr »fühlen« sollen.
Gefühle zu bekämpfen, führt meistens dazu, dass sie noch stärker werden. Gefühle anzunehmen, ist meines Erachtens oft der wirkungsvollste Weg, sie zu besänftigen.
Aber auch wenn ich die Meinung vertrete, dass man Gefühle fühlen soll, bin ich jedoch NICHT der Meinung, dass man immer aus jedem Gefühl heraus handeln sollte. Leute, die Angst haben oder wütend sind, tun zuweilen grausame Dinge.
Stattdessen empfehle ich wie die Buddhisten, ein achtsames Beobachterbewusstsein zu entwickeln, so dass man die Gefühle liebevoll wahrnimmt, ohne sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen.
Und damit komme ich zum letzten Teil…
Hallo Alina
ich hatte hier eine seeehr lange Antwort gepostet und dann wieder gelöscht, weil sie mir zu lang erschien und weil ich mich entschieden habe, sie für einen Blogartikel zu einem späteren Zeitpunkt einzusetzen.
Hier eine überarbeitete Version, die zwar kürzer, aber immer noch zu lang ist.
1. Ich finde es gut, wenn Du Dich für Demokratie, Integration und Gewaltlosigkeit einsetzt. Das gelingt meines Erachtens am besten, wenn man auch denen gegenüber Mitgefühl und Liebe aufbringt, deren Ansichten man nicht teilt. Das bedeutet jedoch nicht, dass man zwingend Mitgefühl aufbringen muss. Aber es hilft, und wie genau, werde ich am Ende darlegen.
2. Wenn jemand einen Fahrstuhl sieht und sein Nervensystem mit Angstgefühlen reagiert, trägt der Fahrstuhl die Verantwortung für diese Gefühle? Oder der Mensch? Meines Erachtens: Letzterer.
3. Was darüber hinaus die Frage der Verantwortung der Gefühle betrifft, so halte ich mich hier an Viktor Frankl: »Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht, unsere Antwort zu wählen. In unserer Antwort liegt unser Wachstum und unsere Freiheit.« (Aus »Trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager«).
4. Ich stimme Dir teilweise zu, dass wir die ENTSTEHUNG der Gefühle nicht kontrollieren können. Allerdings ist es das erklärte Ziel von vielen therapeutischen Interventionen, genau das zu erreichen – zum Beispiel, in dem man die Trigger entmachtet, die das entsprechende Gefühl hervorbringen. Da es Traumatherapien gibt, die das bewirken, ist es also doch möglich, auf die eigenen Gefühle Einfluss zu nehmen, um im Nachhinein eine erneute Entstehung zu verhindern.
5. Auch wenn Menschen die ENTSTEHUNG ihrer Gefühle nicht immer beeinflussen können, so können aber die meisten Menschen ihre Gefühle kontrollieren (jemand ist sauer auf seinen Chef oder seinen Lebenspartner, zeigt es aber nicht).
6. Ich halte es persönlich übrigens für keine gute Idee, seine Gefühle »kontrollieren« zu wollen. Ich finde es angemessener, seine Gefühle zu »fühlen«. Gefühle zu bekämpfen, führt meiner Meinung nach meistens dazu, dass sie noch stärker werden. Gefühle anzunehmen, ist dagegen meines Erachtens oft der wirkungsvollste Weg, sie zu besänftigen. Aber auch wenn ich die Meinung vertrete, dass man Gefühle fühlen soll, bin ich jedoch NICHT der Meinung, dass man immer aus jedem Gefühl heraus handeln sollte. Leute, die Angst haben oder wütend sind, tun zuweilen grausame Dinge.Stattdessen empfehle ich wie die Buddhisten, ein achtsames Beobachterbewusstsein zu entwickeln, so dass man die Gefühle liebevoll wahrnimmt, ohne sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen. (Siehe dazu Video 2 von »Emotio«).
7. Du schreibst: »Eher dreist finde ich es auch, dass Du erneut allen Menschen, die „völkisch-nationalen“ Faschisten nicht die von Dir geforderte „Liebe“ entgegen bringen, unterstellst, „wie Ulrike Meinhof“ zu meinen, „Hass mit Hass und Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu können“. Und damit in die Nähe einer Linksterroristin rückst. Da fehlen mir wirklich die Worte.« Das habe ich nirgendwo so gemeint oder geschrieben.
Vielmehr habe ich zum Ausdruck gebracht, dass es die »Entmenschlichung« ist, mit denen Menschen wie Adolf Hitler oder Ulrike Meinhof ihre Gewalttaten rechtfertigen. Und ich bin der Meinung, dass Liebe bzw. Mitgefühl die beste Medizin ist, um der Entmenschlichung entgegen zu wirken.
Das bringt mich abschließend zu dem – wie Du ihn meiner Meinung zurecht titulierst – »rechtsradikalen Rassisten Tucker Carlson«. In der New York Times gibt es dazu eine meiner Meinung nach gescheite Analyse.
Der Grund, warum ich Carlson dennoch zitiere: Er beginnt seine Schilderung mit einer Darstellung, wie er seine Gegner entmenschlicht und darum sogar eine perverse »Freude« an der Gewalt gegen den Antifa-Vertreter verspürt hat (»Doch plötzlich erwischte ich mich dabei, für die Meute gegen den Mann zu sein und zu hoffen, dass sie ihn härter treffen, ihn töten. Ich wollte wirklich, dass sie den Jungen verletzen. Ich konnte es schmecken.«)
Dann schildert er weiter, wie er sich dadurch von sich selbst zu entfremden begann. (»Dann ging irgendwo tief in meinem Gehirn ein Alarm los: Das ist nicht gut für mich. Ich werde zu etwas, was ich nicht sein will.«)
Dann legt er jedoch abschließend dar, was die Gegenmedizin gegen die Entmenschlichung und Selbstentfremdung ist: Mitgefühl. (»Der Antifa-Kerl ist ein Mensch. So sehr ich auch hasse, was er sagt und tut, und so sehr ich auch vermute, dass ich ihn persönlich hassen würde, wenn ich ihn kennen würde, sollte ich nicht über sein Leiden frohlocken. Ich sollte davon betroffen sein. Ich sollte mich daran erinnern, dass irgendwo jemand diesen Jungen liebt und es ihn zerbrechen würde, wenn er getötet würde.«)
Zusammengefasst: Wer für seine eigenen Gefühle keine Verantwortung übernimmt, KANN dazu neigen, andere dafür verantwortlich zu machen. Wer besonders starke emotionale Reaktionen verspürt, KANN ebenfalls dazu neigen, die Personen, auf die er seine Gefühle projiziert hat, zu entmenschlichen, sich dabei von sich selbst zu entfremden, um anschließend Gefahr zu laufen, in Gewaltgedanken abzurutschen. Einige dieser Menschen können dazu neigen, in bestimmten Fällen die Gewalt auch auszuüben.
Weder ich noch meine Innere Stimme haben behauptet, dass man Mitgefühl haben MUSS, um sich für Demokratie oder Gewaltlosigkeit einzusetzen Aber Mitgefühl und Liebe sind meines Erachtens die beste Medizin gegen diese unheilvolle Tendenz.
Mitgefühl bedeutet meines Erachtens jedoch NICHT, dass man Andersdenkenden zustimmt, wenn man eine andere Sicht der Dinge hat. Man kann und sollte sagen, wenn man etwas für falsch hält. Es ist deswegen Dein gutes Recht, meine Meinung in Frage zu stellen, so wie ich das auch bei Deiner tue.
Mitgefühl heißt für mich zu begreifen, dass Menschen nicht böse Dinge tun, weil sie böse sind, sondern weil sie verquere Gedanken hegen und unter schweren seelischen Verletzungen leiden.
Mitgefühl heißt jedoch nicht, dass die Gewalt, die aus den inneren Verwerfungen entspringen kann, damit gerechtfertigt wäre. Mitgefühl heißt lediglich, den Prozess zu verstehen, warum Menschen böse handeln und zugleich die Demut zu besitzen, dass das jedem von uns passieren kann.
Und Mitgefühl bedeutet, dass jemand, der sich – wie zum Beispiel viele Nazis im dritten Reich – schwere Verfehlungen zu Schulden kommen lassen hat, dennoch ein Mensch bleibt und eine menschenwürdige Behandlung verdient hat.
Wie siehst Du das?
Leider konnte ich den 7. Teil nicht mehr aus dem Papierkorb retten, da ich ihn als Ausgangspunkt für meine gekürzte Fassung genutzt habe.
Allerdings habe ich die letzte Fassung separat abgespeichert.
—–
Du schreibst: »Eher dreist finde ich es auch, dass Du erneut allen Menschen, die „völkisch-nationalen“ Faschisten nicht die von Dir geforderte „Liebe“ entgegen bringen, unterstellst, „wie Ulrike Meinhof“ zu meinen, „Hass mit Hass und Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu können“. Und damit in die Nähe einer Linksterroristin rückst. Da fehlen mir wirklich die Worte.«
Das wundert mich nicht. Denn die würden mir an Deiner Stelle auch fehlen.
Denn weder habe ich das gedacht, noch steht das da oben in meinem Artikel oder in irgendeiner meiner Antworten auf Deine Beiträge.
Aber genau darin besteht auch Deine Masche, Alina. Statt sorgsam zu lesen, was ich geschrieben habe, polterst Du unreflektiert los und stellst Behauptungen in den Raum, die – wie auch in diesem Fall – jedweder Grundlage entbehren.
Da es sich hier jedoch um ein sehr ernstes Thema handelt (Faschismus) und ich definitiv nicht mit Deinem Gedankengut assoziiert werden möchte, werde ich hier zum letzten Mal darlegen, warum Deine Ansichten meines Erachtens in die Irre gehen.
Bitte ab hier sorgfältig lesen: Meiner Meinung nach ist es die »Entmenschlichung« eines Gegners, mit denen Links- und Rechtsradikale ihre Gewalttaten rechtfertigen.
Auch wenn Du nicht in der Lage warst (und auch möglicherweise auch weiterhin nicht befähigt bist) den Unterschied zu begreifen, so ist er dennoch wichtig und von entscheidender Bedeutung.
Warum?
In meinem Quest Buch zitiere ich folgende Passage von Carl Amery, der Hitlers Weltbild wie folgt analysiert hat: »Völker sind »durchseucht«; fremde Lehren drangen und dringen wie »Bazillen« in den »gesunden Volkskörper« ein … Für [Hitlers] unbornierte Unbedingtheit gibt es nur Gesundheit oder Siechtum, und mit den Erregern, welche die Gesundheit bedrohen, gibt es keine Versöhnung, keinerlei Kommunikation außer dem Kampf auf Leben und Tod.« (Quelle: Hitler als Vorläufer: Auschwitz – der Beginn des 21. Jahrhunderts?2002) Hitler bezeichnet darüber hinaus Juden als »Blutegel« und »Eiterbeutel«.
Das ist ein Paradebeispiel für eine »Entmenschlichung«, dem jedwedes Mitgefühl fehlt.
Ulrike Meinhof hat in meinen Augen ebenfalls eine Entmenschlichung vorgenommen: Für sie waren Polizisten »Schweine«, weswegen man sie ihrer Meinung nach erschießen durfte.
Das bringt mich abschließend zu dem – wie Du ihn meiner Meinung zurecht titulierst – »rechtsradikalen Rassisten Tucker Carlson«.
Meiner Meinung nach spielen in Tucker Carlsons Denken zwei Kernmotive eine Rolle. Zum ersten Scham. Tucker Carlson ist in seinen Beiträgen immer dann an die Decke gegangen, wenn jemand die Verwerfungen der Weißen angeprangert hat. Darum hasst Carlson auch die Woke-Bewegung.
Zum zweiten fußt sein Denken auf angstmachenden Gedanken. Ich beziehe mich dabei auch auf die folgende (Analyse in der New York Times) In seinem Denken sind es zum Beispiel die Liberalen, die eine geheime Verschwörung gegen die Konservativen führen.
Tucker Carlson ist für mich der Inbegriff eines rhetorischen Aufhetzers und ich bin der Meinung, dass er dem Demokratieverständnis in den USA in erheblichem Maße geschadet hat. Er ist außerdem verlogen und unehrlich, weil er in seinen Sendungen Lügen zur Wahl verbreitete und Donald Trump als eine Art Held dargestellt hat, obwohl er Trump nicht nur verachtet, sondern seinen Worten nach gehasst hat.
Der Grund, warum ich Carlson dennoch zitiere: Er schildert mit klarer Präzision, welche Folgen seine verdrehte Weltsicht für ihn hatte.
Er beginnt seine Schilderung mit einer Darstellung, wie er seine Gegner entmenschlicht und darum sogar eine perverse »Freude« an der Gewalt gegen den Antifa-Vertreter verspürt hat (»Doch plötzlich erwischte ich mich dabei, für die Meute gegen den Mann zu sein und zu hoffen, dass sie ihn härter treffen, ihn töten. Ich wollte wirklich, dass sie den Jungen verletzen. Ich konnte es schmecken.«)
Dann schildert er weiter, wie er sich dadurch von sich selbst zu entfremden begann. (»Dann ging irgendwo tief in meinem Gehirn ein Alarm los: Das ist nicht gut für mich. Ich werde zu etwas, was ich nicht sein will.«)
Dann legt er jedoch abschließend dar, was die Gegenmedizin gegen die Entmenschlichung und Selbstentfremdung ist: Mitgefühl. (»Der Antifa-Kerl ist ein Mensch. So sehr ich auch hasse, was er sagt und tut, und so sehr ich auch vermute, dass ich ihn persönlich hassen würde, wenn ich ihn kennen würde, sollte ich nicht über sein Leiden frohlocken. Ich sollte davon betroffen sein. Ich sollte mich daran erinnern, dass irgendwo jemand diesen Jungen liebt und es ihn zerbrechen würde, wenn er getötet würde.«)
Das entspricht genau meiner Argumentation: Wer für seine eigenen Gefühle (in Carlsons Fall Scham und Angst), keine Verantwortung übernimmt, KANN dazu neigen, andere zu entmenschlichen, sich dabei von sich selbst zu entfremden und Gefahr laufen, in Gewaltgedanken abzurutschen.
Mitgefühl und Liebe sind die beste Medizin gegen diese unheilvolle Tendenz.
Mitgefühl bedeutet meines Erachtens NICHT, dass man Andersdenkenden zustimmt, wenn man eine andere Sicht der Dinge hat. Man kann und sollte sagen, wenn man etwas für falsch hält. Es ist deswegen Dein gutes Recht, meine Meinung in Frage zu stellen, so wie ich das bei Deiner tue.
Mitgefühl heißt für mich, dass jemand, der sich wie zum Beispiel die Religionsfanatiker und politisch Radikalen in wirren und gefährlichen Ansichten verloren hat, immer noch ein Mensch ist und bleibt.
Mitgefühl heißt für mich zu begreifen, dass Menschen nicht böse Dinge tun, weil sie böse sind, sondern weil sie verquere Gedanken hegen und unter schweren seelischen Verletzungen leiden.
Mitgefühl heißt jedoch nicht, dass die Gewalt, die aus den inneren Verwerfungen entsteht, damit gerechtfertigt wäre. Mitgefühl heißt lediglich, den Prozess zu verstehen, warum Menschen böse handeln und zugleich die Demut zu besitzen, dass das jedem von uns passieren kann.
Und Mitgefühl bedeutet, dass jemand, der sich – wie zum Beispiel die Nazis – schwere Verfehlungen zu Schulden kommen lassen hat, dennoch eine menschenwürdige Behandlung verdient hat.
Hallo Martin,
mit dem Löschen Deines vorherigen Posts hast Du gerade noch mal die Kurve gekriegt. Denn andernfalls hätte ich Dir Satz für Satz nachgewiesen, dass Du „Gaslighting“ https://de.wikipedia.org/wiki/Gaslighting in übelster Form betreibst und ein Musterbeispiel für Gewaltkommunikation ablieferst. Sei’s drum. Für alle Fälle habe ich mir Deinen Post abgespeichert.
Bevor ich Dir auf Deine neue Version antworte, teil mir bitte mit, wie ich hier wie Du Zitate ebenfalls kursiv setzen kann. Über dem üblichen HTML-Befehl oder anders?
Hallo Alina
ich habe leider keine Ahnung, ob und wie Du Deine Beiträge formatieren kannst.
Wie auch immer: Ich habe oben den Original-Beitrag wieder aktiviert.
Damit kann sich jeder selbst ein Bild machen, was drin steht.
😉
Martin
Hallo Martin,
es hat ein wenig gedauert mit meiner Antwort. Was daran lag, dass wir über meine Dienststelle regelmäßig Schulungsprojekteprojekte zu rhetorischen und dialektischen Themen durchführen, um sowohl Opfer als auch professionelle Helfer in der Erkennung manipulativer Sprachformen wie Gaslighting zu schulen. Und Du mir dazu mit Deiner Antwortserie gewissermaßen eine „Steilvorlage“ geliefert hast. Hier die zentralen der in den Fachgruppen erarbeiteten Einschätzungen zu Deinen Aussagen.
Deine Beiträge wurden selbstverständlich anonymisiert und ohne Quellenhinweis verteilt. Die Verwendung Deiner Beiträge zu Schulzwecken entspricht zudem der vom Urheberrecht gewährten Zitierfreiheit.
Im Folgenden bist Du als „Autor“ und ich als „Kritiker“ bezeichnet.
• „Rhetorische Manipulation: Der Autor beschuldigt den Kritiker, rhetorische Manipulation zu betreiben, indem er behauptet, dass die Forderung nach Verantwortung für eigene Gefühle bedeute, dass man Gefühle unterdrücken müsse. Diese Beschuldigung ist jedoch nicht gerechtfertigt und kann als Versuch interpretiert werden, den Kritiker zu diskreditieren.“
• „Unterdrückung beurteilungsrelevanter Sachverhalte: Der Autor reißt zunächst den Kommentar des Kritikers aus dem Gesamtzusammenhang, um diesen dann als „Rhetorischen Unsinn“ herabzuwürdigen. Durch die Isolierung des Kommentars verstellt der Autor dem Leser den Blick darauf, dass sich die vom Autor beanstandete Schlussfolgerung des Kritikers legitim aus den Inhalten der Vordiskussion ergibt.“
• „Der Kritiker empfand Empörung darüber, dass der Autor versuchte, auf diese Weise weiterhin den Opfern verbaler oder sonstiger Taten die alleinige Verantwortung für ihre Gefühle zuzuschieben und antwortete daraufhin: „Da kann sich Deine auch an mich gerichtete Forderung, für meine Gefühle die alleinige „Verantwortung“ übernehmen, also nur darauf beziehen, dass ich in mir entstandene Gefühle, die Dir nicht passen, unterdrücken und nicht äußern soll.« Diese Reaktion des Kritikers war nicht nur verständlich, sondern auch schlüssig abzuleiten aus den vorherigen Aussagen des Autors. Da der Kritiker mit seiner Kritik auch angemessene Emotionen verband, kann es als legitim angesehen werden, wenn er die Kritikabwehr des Autors als Versuch ansah, ihn (den Kritiker) am Ausdruck seiner Gefühle zu hindern und ihn aufzufordern, dergestalt Verantwortung für seine Gefühle zu übernehmen, dass er diese unterdrückt. Es ist dem Kritiker zuzugestehen, dass er dem Autor diese Interpretation mitteilt und damit zu argumentieren, dass er gerade in Verantwortung für seine Gefühle nicht verpflichtet sein kann, seine emotionalen Reaktionen zu unterdrücken, nur weil der Autor in Bezug auf diese unangenehme Gefühle empfindet.“
• „Herabsetzung des Gegenübers (Ad-hominem Argumentation): In der Antwort des Autors häufen sich herabsetzende Aussagen über das Gegenüber, wie z.B. „Rhetorischer Unsinn“, „logisch schwaches Denken“, „rhetorische Manipulation der ganz besonders üblen Sorte“, „Das ist eine Nachlässigkeit im Denken, die ich sehr bedenklich finde“, „keine Ahnung, aber in jedem Fall mal eine Meinung vertreten“. Da solche Aussagen nicht sachdienlich sind, zielt der Autor ganz offensichtlich bewusst darauf ab, den Kritiker emotional zu verletzen, zu beleidigen und zu diskreditieren.“
• „Widerspruch zwischen Lehre und persönlichem Verhalten: Der Autor spricht sich dafür aus, nicht „immer aus jedem Gefühl heraus zu handeln“ und empfiehlt „wie die Buddhisten, ein achtsames Beobachterbewusstsein zu entwickeln, so dass man die Gefühle liebevoll wahrnimmt, ohne sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen.“ In unmittelbarem Zusammenhang damit überhäuft der Autor sein Gegenüber jedoch mit aggressiv-persönlichen Herabsetzungen. Hieraus ergibt sich ein fundamentaler Widerspruch zwischen Lehre und persönlichem Verhalten des Autors.“
• „Widerspruch zur wissenschaftlichen Lehre: Das herabsetzende Verhalten des Autors bestätigt zudem den aktuellen neuro-psychologischen Forschungsstand, dass starke Affekte in Verbindung mit einer gestörten Impulskontrolle zu kognitiven und behavioralen Kontrollverlusten führen. Der Autor selbst weist hierauf hin („Leute, die Angst haben oder wütend sind, tun zuweilen grausame Dinge.“). Und setzt sich damit gleichzeitig in Widerspruch zu seiner eigenen, im Gefolge von V. Frankl aufgestellten und in ihrem Absolutheitsanspruch überholte These, es gebe zwischen Reiz und Reaktion einen willentlichen ansteuerbaren Raum der freien Entscheidung.“
• „Vereinfachung von komplexen Themen: Die Antwort behandelt komplexe Themen wie die Kontrolle von Gefühlen, die Verantwortung für Gefühle und die buddhistische Praxis der Achtsamkeit auf eine sehr oberflächliche Weise. Es fehlt an differenzierter Betrachtung und an Belegen für die getroffenen Aussagen.“
• „Aufbau von Hinterhalten: Der Autor setzt die eigene Definition von Verantwortung voraus, ohne diese näher zu erläutern oder zu begründen. Er vermeidet eine klare Begriffsdefinition, um sich Interpretationsspielraum zu verschaffen und dem Kritiker bei Bedarf Missverständnisse unterstellen zu können.“
• „Rhetorische Tricks: Der Autor verwendet die manipulative Taktik, die Argumentation des Kritikers in eine extreme Formulierung zu überführen, um sie dann leicht angreifen zu können. Diese sogenannte „Strohmann-Argumentation“ wird eingesetzt, um die Position des Kritikers destruktiv zu verzerren.“
• „Fehlschlüssige Aussagen: Der Autor wirft dem Kritiker vor, seine Arbeit nicht zu kennen und sich dennoch ein Urteil über seine Ansichten zu bilden. Damit vertritt er die unschlüssige Auffassung, dass es nötig sei, seine Arbeit zu kennen, um sich in der Diskussion äußern zu dürfen. Dies ist jedoch nicht notwendig, da die Kritik sich nicht auf die Arbeit des Autors insgesamt bezieht, sondern lediglich auf konkrete Aussagen in dessen Artikel. Der Autor versucht, den Kritiker durch seine Aussage auch persönlich zu entwerten.“
• „Widersprüchliche Aussagen: Die Antwort des Autors neben anderen insbesondere Widersprüche in Bezug auf die Kontrolle von Gefühlen. Einerseits argumentiert der Autor, dass man Gefühle nicht kontrollieren kann, andererseits empfiehlt er, ein achtsames Beobachterbewusstsein zu entwickeln, um sich nicht von den Gefühlen gefangen nehmen zu lassen. Dies ist eine inkonsistente Argumentation, die die Fragen aufwirft, wie man Verantwortung für Gefühle übernehmen kann, wenn man sie nicht kontrollieren kann.“
• „Der Autor der Antwort vermischt verschiedene Konzepte und Argumente, was zu einer inkonsistenten Argumentation führt. Zunächst sagt er, dass man Verantwortung für seine Gefühle übernehmen soll, aber später behauptet er, dass man Gefühle nicht kontrollieren kann und dass man sie einfach fühlen soll, ohne sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen. Diese beiden Aussagen sind nicht miteinander vereinbar. Zudem bleibt unklar, was genau der Autor mit „Verantwortung für seine Gefühle übernehmen“ meint.“
• „Verkürzung der Argumente des Kritikers: Der Autor stellt die Argumente des Kritikers verkürzt dar, indem er behauptet, dass der Kritiker die Verantwortung für Gefühle komplett auf andere abschieben würde. Dies ist jedoch nicht die Intention des Kritikers. Der Kritiker betont, dass man die Verantwortung für die eigene Reaktion auf eine Situation übernehmen sollte, aber dass man nicht die Verantwortung für die Entstehung von Gefühlen an sich übernehmen kann, da dies unbewusst geschieht.“
• „Verwendung von Strohmann-Argumenten: Der Autor verwendet Strohmann-Argumente, indem er die Argumentation seines Kritikers verzerrt und dann darauf reagiert. Zum Beispiel behauptet der Autor, dass der Kritiker gesagt hat, er solle alle seine Gefühle unterdrücken, die anderen nicht passen, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht.“
• „Selbstreferentialität: Der Autor bezieht sich oft auf seine eigenen Ansichten und zitiert sich selbst als Quelle. Dies erweckt den Anschein, dass er nicht bereit ist, die Ansichten anderer zu berücksichtigen oder zu akzeptieren, was Diskussionen mit ihm leicht unproduktiv machen kann.“
• „Persönlichkeitsstil: Die Antwort wirkt insgesamt sehr arrogant und abwertend gegenüber dem ursprünglichen Kritiker. Der Autor der Antwort tut so, als ob er im Besitz der Wahrheit und der einzig richtigen Definition von Verantwortung und Liebe ist, während der Kritiker als nachlässig im Denken und unfähig dargestellt wird, eine Meinung zu haben.“
So viel zu Deinem Wunsch, dass sich die MitleserInnen selbst ein Bild machen können. Weiteres findest Du in meinen obigen Einzelantworten auf Deine Beiträge (folgen teils noch; siehe dann dort).
😉
Alina