In dem zweitem Teil unserer vierteiligen Interviewreihe hatte meine Innere Stimme die steile These aufgestellt, dass alles in uns von alleine nach Heilung strebt, dass wir diesen Prozess jedoch durch unseren Verstand aufhalten.
Weiterhin hatte sie behauptet, dass Vertrauen eine wesentliche Voraussetzung dafür wäre, dass wir aber genau damit hadern.
Ok, Innere Stimme. Dann sag mir mal bitte, warum das so ist. Und vor allem: Wie können wir es besser machen?
Der Ursprung des Misstrauens
Innere Stimme: Dazu muss ich offen gestanden ein wenig ausholen. Genauer gesagt muss ich zu den Anfängen Eures Lebens zurückkehren, um zu verdeutlichen, wie Euer Verstand entstanden ist und warum Misstrauen seine zweite Natur ist. Hab also kurz etwas Geduld mit meinen Ausführungen.
Als Ihr zur Welt gekommen seid, habt Ihr noch die paradiesische Signatur der Einheit in Euch getragen.
Denn Ihr seid quasi aus einem Zustand des Einsseins in eine Welt der Polaritäten, der Unterschiede und Gegensätze geworfen worden. Euer Säuglingsbewusstsein vermochte nicht zwischen Ich und Du zu unterscheiden. Alles, was Ihr wahrnahmt, war quasi eins.
Aber es dauerte nicht lange, bis Ihr einen Riss in Eurer Wahrnehmung bemerkt habt. Etwas stimmte nicht mit Eurer Einschätzung. So habt Ihr neben all den freudigen Erlebnissen auch leidvolle gemacht. Namentlich durch die Erfahrung von Hunger, Kälte, körperlichen Schmerz oder das Gefühl von Einsamkeit.
Wenn jedoch alles eins ist, warum verhält sich das Leben dann nicht gemäß der eigenen Bedürfnisse?
Warum bewirkt das eigene Weinen und Schreien mal eine Veränderung, mal aber auch nicht?
Es waren diese zum Teil überaus schmerzlichen Ungereimtheiten, die einen Keil in Euer Bewusstsein trieben und nach und nach die Illusion der Einheit zerstörten – bis Ihr endgültig begriffen habt, dass zwischen Euch und der Welt da draußen ein Unterschied besteht.
Das war der Moment, in der die Morgendämmerung Eures Verstandes eingesetzt hat. Wenn Ihr nicht der Mittelpunkt des Universums seid, so wurde Euch klar, dann müsst Ihr Wege finden, in dieser Euch völlig unbekannten Welt zurecht zu kommen.
Euer Verstand, so könnte man also sagen, ist aus einer Erfahrung entstanden, die von einer Ent-Täuschung und der anschließenden Erkenntnis gezeichnet war, dass das Leben nicht nur Schönes, sondern auch Kummer für Euch bereit hält.
Und damit kam dann auch das Misstrauen in unsere Welt? I
nnere Stimme: Ja. Aber das war kein Fehler im System des Lebens, sondern das war genau so vorgesehen. Indem Ihr gelernt habt, skeptisch und kritisch zu denken, habt Ihr Euer Überleben gesichert.
Mit der Folge allerdings, dass wir ängstlich durchs Leben marschieren und dass wir uns durch unser Misstrauen dem ganz natürlichen »Heilmechanismus«, den Du im letzten Interview beschrieben hast, widersetzen. Jetzt verstehe ich auch, warum so viele Heiler und auch Gurus den Verstand als Störenfried verdammen.
Wie wir indoktriniert werden
Innere Stimme: Wer dem Verstand vorwirft, misstrauisch oder bewertend zu sein, weiß im wahrsten Sinne des Wortes nicht, wovon er spricht. Oder besser gesagt: »Wer« da spricht. Um den Verstand zu verurteilen, muss man nämlich seinen Verstand benutzen.
Ziemlich paradox.
Innere Stimme: Allerdings. Wenn man jedoch den Verstand für das zu schätzen lernt, was er tut, erweist er sich schnell als das, was er in Wirklichkeit ist: Ein großartiger Freund, der einem zwar nicht immer nach dem Mund redet, der einem aber treu zur Seite steht.
Verstehe. Demnach müsste ja eigentlich alles gut sein…
Innere Stimme: Nicht ganz, Martin. Nicht ganz. Denn leider wurde der Verstand von früh an mit gewissen Botschaften indoktriniert. Je nachdem in welcher Kultur Ihr aufgewachsen seid, hat man Euch beigebracht, wem ihr vertrauen könnt und wem nicht. Dass es nicht nur gute Mächte im Leben gibt, sondern auch böse. Ja, dass Ihr selbst nicht nur gute Seiten in Euch habt, sondern auch schlechte.
Und weil Euer Verstand stets darauf bedacht ist, Euch zu schützen, hat er all diese Informationen wie ein Schwamm aufgesogen – mit der Folge, dass in Eurem Inneren immer mehr giftige Gedankenpilze des Misstrauens heranzuwachsen begannen. Überzeugungen wie, dass die Welt schlecht sei, ja, dass selbst die Quelle allen Lebens verdorben ist. Und dass Ihr deswegen im Grunde genommen niemanden vertrauen könnt. Nicht mal Euch selbst.
Puh. Das ist ja ein ziemlich pessimistisches Bild, dass Du da von uns zeichnest.
Innere Stimme: In all dem wartet noch eine frohe Botschaft. Versprochen. Aber bevor ich sie verkünden kann, gilt es, den Fakten in die Augen zu schauen. Ihr seid zu Pessimismus erzogen worden und diese Indoktrination findet nach wie vor jeden Tag statt. Man muss nur einen Streifzug durch Eure Nachrichtenseiten im Internet unternehmen und deren Schlagzeilen lesen. Ihr Menschen seid ein ziemlich paranoides Völkchen, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Was schlägst Du vor, wie wir es besser machen können?
Wie wir ins Urvertrauen zurückkehren können
Innere Stimme: Beginnt Euer Weltbild zu hinterfragen.
Stimmt es wirklich, dass die Welt ein so übler Ort ist? Könnt Ihr wirklich niemanden vertrauen? Und könnte es eventuell sein, dass die Welt Euch keineswegs vernichten möchte, sondern Euch auch dann noch trägt, wenn Ihr sie verflucht oder gar durch Eure Umweltverschmutzung vergiftet?
Kurz: Fangt an, die Indoktrinationen Euer Kultur zu hinterfragen.
Klingt einfacher gesagt, als getan.
Innere Stimme: So ist es. Dieser Umdenkprozess braucht Zeit. Die Indoktrination der Angst, dass Ihr nichts und niemanden vertrauen könnt, und der Scham, dass Ihr schlecht beziehungsweise nicht gut genug seid, ist leider immer noch allgegenwärtig.
Wer steckt hinter diesen Indoktrinationen?
Innere Stimme: Ihr alle. Ihr alle seid Opfer und Täter zugleich. Jedesmal wenn Ihr im Streit jemanden beleidigt, sät ihr Schamgedanken aus. Jedesmal, wenn ihr laut und aggressiv werdet, versucht Ihr Angstgefühle in den Geist eines Anderen zu pflanzen.
Das gilt natürlich auch umgekehrt. Wenn ihr bedroht oder beschämt werdet, lauft Ihr Gefahr, dass all die ängstlichen und schambesetzten Seiten in Euch angetriggert werden, die Ihr im Laufe der Zeit gebildet habt.
Ihr seid also in einen Kreislauf eingebunden, der in einem fort Opfer erzeugt, die zu Täter werden, die weitere Opfer erzeugen. So geht das schon einige Tausend Jahre. Und so würde es auch weitergehen, wenn Ihr dem nicht Einhalt gebietet.
Die Zeit, all das zu ändern, ist jedoch jetzt. Glücklicherweise. Denn Ihr könnt den Kreislauf jederzeit beenden. Ihr müsst nur bereit sein umzudenken, Martin. Und je eher Ihr beginnt, desto besser.
Wie sollen wir vorgehen?
Innere Stimme: Nutze Deine Technik, die Du Kopfgooglen nennst. (Hinweis: Die Technik nutzt gezielte Fragen, um den Verstand zu neuen Gedankengängen anzuregen. Wenn wir in einer Problemsituation uns fragen, warum wir sie leicht lösen können, beginnt unser Verstand von selbst Ideen zu produzieren, dass das stimmen kann. In dem Video ab Minute 9.10).
Kopfgooglen ist ganz praktisch, wenn es um alltägliche Herausforderungen geht. Aber ich habe meine Zweifel, dass es auch diese tiefe Misstrauen heilt, von dem Du gerade gesprochen hast.
Innere Stimme: Was Du damit erreichen kannst, hängt von der Frage ab, die Du Dir stellst.
Wenn Du Deinen Fokus auf Umsatzziele oder eine Liebeseroberung richtest, wird das Dein Horizont bleiben. Wenn Du wirkmächtigere Ergebnisse erreichen willst, musst Du Dir größere Fragen stellen.
Welche zum Beispiel?
Innere Stimme: Warum ist die Welt ein freundlicher Ort?
Ist das nicht eine Frage von Albert Einstein?
Innere Stimme: Nein. Auch wenn die Frage von ihm stammen könnte, hat er sie so nie formuliert. Aber das ist irrelevant. Viel wichtiger ist, wie sie wirkt.
Probiere sie deswegen einfach aus.
Jetzt?
Innere Stimme: Wenn nicht jetzt, wann dann?
Ich beginne mir die Frage zu stellen und spüre zunächst Verwirrung. Unzählige Gedanken strömen auf mich ein, voller Beispiele, in denen ich die Welt als unsicher erlebe.
Aber ich frage erneut: Warum ist die Welt ein freundlicher Ort?
Mein Blick fällt auf die Pflanzen auf meinem Fensterbrett. Ihre Blütenpracht stimmt mich heiter. Dann kommt mir mein Kühlschrank in den Sinn – gefüllt mit Essbaren.
Schließlich richte ich meinen Blick auf den Monitor vor mir. Seit über dreißig Jahren besitze ich Computer. »Irgendwie« war immer Geld da, sie mir leisten zu können.
Jetzt muss ich an meine Freunde und Freundinnen denken. Treue Begleiter und Begleiterinnen, die mir das Leben zur Seite gestellt hatte. Meine beiden Söhne fallen mir ein, und wie prächtig sie sich entwickelt haben.
Das Leben kommt mir plötzlich wie eine mütterliche Kraft vor, die für mich zu sorgen scheint. So habe ich die Welt noch nie gesehen. Ich spüre, wie gute Laune in mir aufkeimt.
Innere Stimme: Interessant, nicht wahr? Das geschieht, wenn Du die gesellschaftliche Indoktrination von der angeblich so schlechten Welt durchbrichst. Ihr könntet das Paradies auf Erden haben, wenn Ihr Eurer gesunden Skepsis eine ordentliche Dosis Vertrauen beimengt.
Und das soll all die Kriege und Terrortaten beenden?
Innere Stimme: Wenn Ihr glaubt, dass da draußen »böse« Menschen sind, wird es nicht lange dauern, bis ihr »böse« handelt.
Wenn ihr jedoch glaubt, dass alle Menschen liebevoll leben wollen, werdet ihr die Idee eines Krieges als vollkommen absurd empfinden.
Die Wahl liegt bei Euch.
Niemand zwingt Euch, das eine oder das andere zu denken.
Aber welchem Weltbild Ihr den Vorzug gebt, wird darüber entscheiden, ob Ihr in Unfrieden, Angst und Selbstzweifeln lebt oder ob Ihr inneren Frieden, Zuversicht und ein Gefühl der Würde Euer eigen nennt.
Und das bringt mich zu einem weiteren »Gamechanger«, der Eurem Leben einen Big Shift geben kann.
Welchen?
Innere Stimme: Das, mein Lieber, erkunden wir im letzten Teil unserer Interview-Serie.
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Der letzte Teil des Interviews erscheint nächstes Wochenende.
Danke innere Stimme! Passend zu dem „Umdenken im Kopf“ – dir Erkenntnis: Wir leben in den friedlichsten aller Zeiten
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»Pinkers Studie ist eine leidenschaftliche Antithese zum verbreiteten Kulturpessimismus und dem Gefühl des moralischen Untergangs der Moderne.« Der Spiegel
würde mich interessieren, wozu das Buch Bill Gates inspiriert hat
Georg Gottschamel
g.gottschamel@gmail.com